Nun sind wir schon fast 1000 Meilen von der Küste entfernt, zwei Tage auf der US 50, an denen wir nach meiner Meinung zu wenig, nach ihrer Meinung eher etwas zu viel gefahren sind. Wir sind bei Doris‘ Cousin in Bloomington, Indiana, wo wir auf eine UPS-Lieferung warten. Doris hat nämlich nicht nur ihren Helm, sondern auch ihren Führerschein zuhause vergessen hat. Bisher hat der Ausdruck eines Fotos des Führerscheins gereicht, aber wahrscheinlich ist es besser, das Original dabeizuhaben, wenn man unterwegs von Buford T. Justice angehalten wird.
Einen neuen Helm hat Doris bereits in Philadelphia gekauft, da gab es bei einem Motorradhändler einen wunderschönen Bell-Helm im Sonderangebot, schwarz mit Retro-Streifen-Design. Ich bin etwas neidisch, habe nur aus zwei Gründen nicht ebenfalls einen gekauft: Ich finde Helme im Partnerlook bei anderen Bikern immer etwas albern. Und ich möchte nicht mit zwei Helmen durch die Gegend reisen.
Ich habe mir dafür direkt am Anfang der Reise in Media ein Paar Cowboy-Arbeitsstiefel im Westernlook gekauft und meine mitgebrachten ausgelatschten Boots im Motel weggeworfen.
Ansonsten waren die beiden Tage nach unserer Übernachtung in der Lodge am Tygart Lake eher ereignisarm. Wir sind durch West Virginia, Ohio und Indiana gefahren, haben den Ohio River überquert und zwischendurch am Paint Creek-Stausee in Ohio gezeltet.
Doris hat übrigens ein neues Camper-Kaffeekochsystem gekauft, kleine Filtertütchen, die man über die Tasse hängt, funktioniert leidlich.
Und wir haben Cincinnati auf der Interstate umfahren, ein Fehler. Die Interstates sind die gefährlichsten Straßen in USA, alle donnern mit 70 mph vor sich hin, die Lkw eher etwas schneller, und machen dabei alles andere, außer Autofahren. Mich übersieht tatsächlich ein Idiot in einem älteren Honda-SUV beim Spurwechsel, beginnt rüberzuziehen, obwohl ich praktisch neben seiner Fahrertür herfahre. Als ich hupe, sieht er mich an wie eine Kuh, wenn’s donnert und setzt seinen Spurwechsel fort.
Wir verlassen die Interstate schnell wieder und fahren über kleinere Wege nach Bloomington.
Es gibt natürlich auch schönere Begegnungen, so wie die mit Jerzy aus Polen. Er ist der erste Motorradreisende, den wir treffen, sitzt an einer Tankstelle im Schatten und raucht, was schon ein erster Hinweis daraus sein könnte, dass er kein Amerikaner ist. Außerdem fährt er eine Kawasaki KLR 650 und trägt Goretex-Klamotten. Und am rechten Alukoffer klebt ein Poland-Sticker.
Er spricht kaum Englisch, obwohl er seit zehn Jahren als Hausmeister in Chicago arbeitet und erzählt von seinen Erlebnissen in Alaska, Arizona und sonstwo. Uns fragt er nichts. Nach einer weiteren Marlboro Light steigt er auf seine KLR und fährt weiter nach Osten.
Oder das Treffen mit der alten Dame an der Tankstelle in West Virginia. Sie ist mindesten 80, tankt ihren 67er El Camino und freut sich, als ich sie auf das Auto anspreche. Dann schimpft sie über die Spritpreise, dass das alles Gauner seien, sie habe gerade drei Dollar für die Gallone bezahlt, nur damit die Share Holders ihre Taschen füllen. Aber die Reichen kämen ohnehin nicht in den Himmel, das stehe schon in der Schrift. Sagt es, wuchtet zwei Sprit-Kanister auf die Ladefläche des El Camino, startet den Smallblock-V8 und donnert davon.
Kleiner Nachtrag: Während wir auf den UPS-Wagen warten, fahren wir kurz zum lokalen Harley-Laden um zwei Kleinigkeiten an den Motorrädern richten zu lassen. Bei meiner ist die Leerlaufdrehzahl zu hoch, bei der Sportster der Schalthebel samt Fußraste etwas hochgebogen. Das richten zwei Mechaniker in wenigen Minuten, kostet nichts. Dazu schenken sie uns noch einen Harley-Touring Handbook mit einem Händlerverzeichnis. Wir kaufen dann noch ein kleines Toolkit, die Harleys haben ja Zollschrauben. Jetzt haben wir wenigstens etwas dabei, um lose Schrauben und ähnliches wieder anzuziehen.
UPS wirft im Übrigen die Sendung einfach so vor die Tür, ohne zu klingeln oder nachzuschauen, ob jemand zuhause ist. Und das obwohl in fettem Rot Documents auf den Umschlag gestempelt wurde. Wie bei uns also. Jedenfalls hat Doris jetzt ihren Führerschein dabei.
Liebe Doris,
lieber Heinrich,
wie ungeheuer mutig von euch, in den USA ein neues Kaffee-Schwallbrühsystem zu etablieren. Und auch sonst freue ich mich sehr über all das zu lesen, was Ihr so erlebt und erfahrt. Auch dass Du, Heinrich, wie Jack Reacher Kleidung im Motel wegwirfst. Und Doris, der Bell-Helm ist wirklich große Klasse!
Habt weiterhin eine schöne und vor allem sichere Fahrt. Ach, Heinrich, Montag bin ich in Einbeck. Soll ich bei Maren einen Pulled-Pork-Burger mit Mayo bestellen, oder musst Du da noch fahren?
Liebe Grüße
seb.
Lieber Sebastian, die Landschaft sieht immer wieder mal so aus, als könne auch Jack Reacher im selben Motel wohnen. Das mit dem Pulled-Pork-Burger lass mal lieber sein, ich bin gerade aus Bad Driburg umgezogen.
Ueh ist der Camino geil. Das ist doch genau Deine Abteilung Heinrich!? Ich hoffe Du hast die Adresse von Omchen, dann fahren wir da mal hin. Bringt ihr mir eigentlich ein Jüngling Bier mit, Doris? Würde ich dann mit meinem Moparschrauber in Aldingen teilen.
ride on.
Das mit dem Jüngling müssen wir verschieben, gibt es hier im Mittleren Westen nicht. Dafür haben wir ein verlassenes Motel an der Route 66 entdeckt, an dem man komplette MKL-Titelproduktionen schießen könnte…
Noch ein Tipp zum Umgang mit Honda SUVs auf der Interstate.
https://youtu.be/pO_FOdRBQEw
Dabei bekommen die neuen Bikerboots die richtige Patina, aber nicht erwischen lassen.
Was uns sonst noch beschäftigt:
Helm vergessen, Führerschein vergessen…
Was ein Glück, daß ihr die Motorräder erst in den USA gekauft habt.
Viele Grüße 3H
Sail away, Doris und Heinrich!
https://youtu.be/wHkMfdHzjvM
Lese alles mit großem Interesse – danke euch fürs Mitnehmen auf diese Reise. Bin voller Bewunderung für Doris!
Freue mich auf eure weiteren Erlebnisse und Bilder! Gute und sichere Fahrt und viel Vergnügen euch Beiden!