Jetzt sind wir schon über 24 Stunden wieder zuhause. Seltsam. Und Zeit für ein erstes Fazit. Denn so richtig durchgesackt ist das noch nicht. Wir haben es tatsächlich gemacht. Bis zum Abflug konnte ich es mir nicht so richtig vorstellen, dass ich bald auf einer alten Harley sitzen  und vom Atlantik aus westwärts durch die USA fahren werde.

Einer der ersten Eindrücke danach: So schwierig wie befürchtet war es dann doch nicht. Überraschend einfach unter anderem war die gesamte  Abwicklung mit den Motorrädern, vom Kauf über Zulassung bis zu Verschiffung. Nun ja angekommen sind sie noch nicht, aber sie werden dieser Tage auf die MSC Antalya verladen, die bereits in Oakland im Hafen liegt, wie man per Schiffstracker verfolgen kann.

Abschiednehmen vor der Garage: Gleich bringen wir die Motorräder nach Fremont zum Verschiffen

Bewährt hat sich ebenso die Zulassung per Temporary In-Transit-Registration, also per Kurzzeit-Zulassung. Keine Sau hat sich für unsere Papp-Nummernschilder interessiert, auch ab und zu hinter uns her fahrende Polizeiautos vom Dorf-Sheriff bis zur California Highway Patrol nicht. Anders als bei einer regulären Zulassung entfällt übrigens die Sales Tax, je nach Staat also bis rund zehn Prozent. Schwieriger ist dagegen das FInden einer Versicherung, wenn man keinen US-Führerschein vorweisen kann. Aber auch das geht letztlich, z.B. mit Fernet aus Florida. Hat super geklappt, und wenn jemand mal was Ähnliches machen will, gebe ich gern die Nummer unserer sehr hilfsbereiten Sachbearbeiterin weiter.

Das gilt auch für die Spedition CFR Rinckens. Die Abgabe der Motorräder dauerte kaum mehr als fünf Minuten, einen Tag später erhielten wir die Zustandsberichte mit Fotos aller Kratzer etc. die bei der Anlieferung bereits an den Motorrädern waren. Peinlicher Hinweis: Bei beiden steht dabei „Vehicle dirty“.  Dabei hatten wir noch überlegt, die Motorräder zu reinigen, sind dann aber doch nicht mehr dazu gekommen.

Sehr zufrieden bin ich nachträglich mit der Wahl der Route entlang der US 50, und auch damit, dass wir ihr nicht immer durchgehend gefolgt sind. Vielleicht wäre es schöner gewesen, statt über den Tioga Pass und Yosemite tatsächlich über Lake Tahoe und Sacramento zu fahren, wo die US 50 in die Interstate 80 übergeht. Doch die Abweichungen von der Originalroute waren alle sehr gut: die südliche Umfahrung von Kansas City, der Umweg zu Johannes nach Bloomington, der Million Dollar Highway und erst Recht der Weg durchs Monument Valley, entlang der Vermillion Cliffs zum Grand Canyon und danach durch Zion’s und Bryce Canyon.

„Somewhere on a desert highway, she rides a Harley-Davidson…“

Etwas enttäuschend fand ich diesmal die Loneliest Road, womöglich, weil ich sie bereits kannte, das Wetter nicht so schön war, doch vor allem, weil sie alles andere als einsam ist. Und im Frühling wirkt sie auch gar nicht so wüstenhaft und verlassen wie im Oktober, sondern eher grün, kühl und windig.

Trinken und Navajo-Souvernirs angucken irgendwo in Arizona

Die US 50 ist dennoch eine fast unschlagbare Route durch die USA. Wir waren in New York, New Jersey, Pennsylvania, Delaware, Maryland, DC, Virginia, West Virginia, Ohio, Indiana, Illinois, Missouri, Kansas, Colorado, Utah, Arizona, New Mexico, Nevada und Kalifornien. Sind über die Chesapeake-Halbinsel, durch Amish-Gegenden, am Weißen Haus vorbei, durch die Milliardärs-Dörfer in Virgina, die verarmten Kohleregionen in West Virgina, über Appalachen-Pässe,  den Ohio River, den Mississippi, den Missouri und den Arkansas River gefahren, über die Mais- und Weizen-Gegenden in Indiana und Illinois, durch die Ölfelder und Rinderzüchter-Plains in Kansas und Colorado, danach über die Rocky Mountains ins Great Basin, schließlich über die Sierra Nevada nach Kalifornien bis ins Silicon Valley gefahren. Dabei sind wir nicht nur der US 50 gefolgt, sondern auch streckenweise dem Lincoln Highway, der Route 66, dem Lewis&Clark-Trail, dem Santa Fe-Trail, dem Pony Express und dem Camino Real gefolgt, lauter historische Verbindungswege durch dieses große Land. Ein Panorama der USA, das es so auf kaum einer anderen Route gibt.

Kleine Abweichung von der Route: Entlang des Highway 100 durch Missouri

Bemerkenswert dabei: Wir haben fast nur nette Menschen getroffen, Motorradfahrer sowieso. Und je weiter westlich wir kamen, desto auffälliger waren wir mit unseren Pennsylvania-Nummernschilder. Wie cool und wie mutig das sei, fanden sehr viele. Und nicht wenige sagten, sie würden sowas ebenfalls gern machen, wenn sie Zeit und/oder Geld dafür hätten. Neid? Vielleicht. Missgunst? Sicher nicht. Vielleicht ist das ein weiterer kleiner Unterschied zu Deutschland.

Den Bikergruß gibt’s auch in USA, selbst zwischen KTM Adventure und Harley Low Rider, wie hier in Utah. Das Recapture war übrigens eines der nettesten Motels auf der Reise

Eine weitere, vielleicht zufällige Beobachtung: Wir treffen bemerkenswert wenig Deutsche unterwegs. Selbst in den Nationalparks scheinen, anders als bei unseren anderen US-Reisen, kaum deutsche Touristen unterwegs zu sein. Italienisch, ungarisch, sogar finnisch und tschechisch höre ist, jedenfalls auffallend viel französisch. Und auffallend wenig deutsch.

Die letzten Tage vor dem Abflug verbringen wir bei Susanne und Josh in Menlo Park, mitten in Silicon Valley – ein perfekter Abschluss für die Fahrt. Am ersten Abend haben sie siebenbürgisch gekocht, und dabei fällt mir ein, dass alle Leute, die wir in USA besucht haben, Bekannte oder Verwandte aus Siebenbürgen sind: meine Nichte, der Cousin von Doris und nun Susanne, bei der zufällig ihre Schwester Uli zu Besuch ist, die ich aus der Schule in Schäßburg kenne. Und das ist über 40 Jahre her.

Am letzten vollen Tag in der Bay Area dann noch der obligatorische Einkaufstrip, diesmal zur Milpitas Mall, in der vor allem Doris zuschlägt. Der Uniqlo-Laden hat es ihr schon sehr angetan. Davor holen wir uns einen Mietwagen. Ein Nissan Sentra soll es sein, sagt der Mann am Schalter. Puh.

Als ich frage, ob er nichts interessanteres anzubieten hat, sagt sein Kollege, sie hätten doch diesen Dodge Charger rumstehen. 16 Dollar Aufpreis pro Tag ist es mir wert, die letzten Urlaubstage nicht in einem Sentra herumfahren zu müssen. Hemi-V8 mit 477 PS, wer kann da schon widerstehen? Ich jedenfalls nicht.

Dodge Charger Hemi R/T von Avis, ein preiswertes Vergnügen

Der Dodge ist ein Super-Auto, und er fährt überraschend gut und komfortabel, hat viel Platz und einen großen Kofferraum. Mit den Harleys waren wir noch die Langsamen auf der 101, jetzt nicht mehr. Der Dodge mit einem Gasstoß aus der Auffahrt auf 80 mph und ganz links auf der Commuter Lane, der Fahrspur für Autos mit mehr als einem Insassen.

Das Abgeben der Motorräder, die erfolglose Suche nach einem Ersatzobjektiv und die Einkauferei nehmen dann doch den ganzen Tag in Anspruch. Abends sind wir todmüde, Susanne und Uli haben uns auf dem Trip begleitet und auch noch das ein oder andere in Milpitas gekauft. Ich war ja bescheiden: nur eine Levis-Sommerjeans und ein passender Gürtel dazu.

Am nächsten Tag nimmt uns Josh, der bei Google in Mountain View arbeitet, mit in die Google-Kantine. Dort können alle Mitarbeiter kostenlos essen, 24 Stunden am Tag und auch ab und zu Gäste mitbringen. In diesem Fall uns beide. Es gibt von der Salatbar bis zum Burgerstand alles, was man sich nur denken kann. Interessanter jedoch die Mitarbeiter: kaum jemand scheint älter als 30 zu sein, Weiße (Kaukasier, wie das in USA heißt) in der absoluten Unterzahl, sehr viele Asiaten und Inder, einige Deutsche hören wir sprechen, doch auch Russen und Italiener. Entsprechend auch das Speiseangebot: Es gibt viel Asiatisches und Indisches. Und alles, was wir ausprobieren, schmeckt wirklich sehr gut. Einschließlich des Cappuccino aus der Espressobar. Die Motorpresse-Kantine in Stuttgart kann da nicht so ganz mithalten.

Zum Lunch bei Google

Ein kurzer Trip zur Halfmoon Bay ist nach dem Lunch noch drin, bevor wir zum Flughafen müssen. Wir fahren noch über den Campus der Stanford-Uni, dann über die Berge zur Bay. Doris geht noch mal mit den Füßen in den Ozean, es ist eher kühl und windig. Ja, und das war’s dann. 4500 Meilen durch die USA, auf bereits etwas älteren Motorrädern.

Nichts ist kaputt gegangen, es gab den ein oder anderen Schreckmoment, doch wir sind heil geblieben. Das Regenzeug haben wir kein einziges Mal benötigt. Etwas zu heiß war es manchmal, etwas zu kalt ebenfalls. Die Motorräder überraschend bequem und eigentlich recht sparsam. Vielleicht rechne ich den Verbrauch noch aus, aber geschätzt haben wir alle 200 km rund 20 Liter getankt. In die Sportster passte immer rund eine halbe Galone weniger rein.

Auch die kleine Sportster hat gut durchgehalten: 4500 Meilen in gut drei Wochen

Dazu hat die Dyna eine Viertel Galone Öl verbraucht, die Sportster benötigte eine Batterie, Kleinkram. Mal schauen, was nun alles für die Zulassung umgebaut werden muss. Und ob Doris die Sportster behalten will. Ich weiß ja auch noch nicht, was ich mit meiner Dyna Low Rider machen werde. Eigentlich wollte ich ja eine Dyna, weil ich die Baureihe mag und weil sie 2017 aus dem Programm gestrichen wurde. Vielleicht behalte ich sie, bis ich sie durch eine andere Harley ersetze: eine 2008er Road King in Anniversary-Lackierung. Die wäre dann etwas für den nächsten Trip: vielleicht von New York aus nach Süden, Appalachen-Trail. Oder aus San Francisco nach Sturgis und dann aus Kanada nachhause. Oder….