Motorradreisen und Dies und Das

Von Ocean City, Maryland nach Silicon Valley

21. März 2018

Der Flug ist gebucht, am 28. April von München nach New York. Wie es genau von da weitergehen wird, das weiß ich jetzt noch nicht. Jedenfalls nicht genau. Der ungefähre Plan: Ein (oder zwei Motorräder, doch dazu später mehr) kaufen und damit nach San Francisco fahren. Der Rückflug steht ebenfalls schon fest: am 30. Mai von San Francisco nach München.

Mehr oder weniger entlang der US 50 von Ocean City, Maryland nach San Francisco, mit ein paar kleinen Umwegen über den Blue Ridge Parkway und in den Rocky Mountains, das ist der weitere Plan. So 6000 km dürften da zusammen kommen, etwa 300 km pro Tag. Das sollte zu schaffen sein. Und außerdem habe ich den festen Vorsatz, hier mehr oder weniger regelmäßig ein paar Texte, Bilder und Videos von unterwegs zu posten. Mal sehen, wie das wird.

Ein kleines Hindernis gibt es noch, Doris muss erst die Führerscheinprüfung bestehen. Die soll in zwei Wochen sein, sie fährt schon fleißig in der Fahrschule mit einer Honda NC700. Was wenn sie es nicht schafft? Ein Worst-Case-Scenario gibt es  nicht, nur vage Überlegungen. Die reichen von „Dann fährst du halt allein“ bis zu „Wer guckt in USA schon so genau auf einen deutschen Führerschein, der ja sowieso die Klasse A hat, allerdings mit der Beschränkung auf Trikes“….

28. April 2018

…wir sitzen in München in der Lounge und überlegen, was wir wohl Wichtiges zuhause vergessen haben. Okay, der Helm, aber Doris braucht eigentlich ohnehin einen neuen, das ist also kein großer Verlust.

Ansonsten ist einiges passiert, seit dem letzten Beitrag: Doris hat im Schnelldurchgang den A-Führerschein gemacht und bestanden, und sie kann das inzwischen ziemlich gut. Letzten Sonntag hat sie die Africa Twin ausprobiert. Damit ist sie prima gefahren, obwohl es ja schon ein richtig großes Motorrad ist, bei dem sie nur mit den Fußspitzen auf den Asphalt kommt.

Und ich habe bereits ein Motorrad gekauft, eine Harley FXDLR (also eine Dyna Low Rider, für alle Nicht-Insider) von 2001, jedenfalls mit 200 Dollar per Kreditkarte angezahlt. Die Verkäuferin fragte mich am Telefon, ob ich mir darüber im Klaren sei, dass es ein 18 Jahre alte Motorrad sei, mit Vergaser-Motor! Und ob ich damit quer über den Kontinent fahre wolle! Sie würde sich das nicht einmal mit ihrer neuen Ultra Glide trauen. Na sicher will ich!

Das ist, meine zukünftige, bereits angezahlte Harley Dyna Low Rider, komplett mit Packtaschen, Windschild, Gepäckträger und vorverlegten Fußrasten. Noch besser hätte sie mir mit Gussrädern gefallen

Inzwischen stellt sich heraus, dass es mit der Versicherung doch nicht so einfach ist, wenn man nur einen ausländischen Führerschein hat, das müssen wir am Montag in New York regeln. Hoffentlich klappt alles! Jedenfalls wollen wir am Montag schon mal ein paar Händler anfahren und nach einem Bike für Doris suchen, eine Triumph Bonneville oder einen Japan-Cruiser für kleines Geld, eine Kawa Vulcan oder Honda Shadow, da scheint das Angebot am größen zu sein.

1. Mai 2018

Heute ist der 1. Mai, zwei Tage sind wir nun bereits hier. Am ersten Tag war nicht so viel los, kleine Sightseeing-Tour an die Südspitze von Manhattan. Das 11. September-Mahnmal ist wirklich sehenswert, schlicht und eindrucksvoll.

Mit Julia in Manhattan, in der neuen U-Bahn-Station am Ground Zero

Viel interessanter war es gestern. Erstens haben wir eine Versicherungsagentur gefunden, die wenigstens per Mail schon mal zugesagt hat, unsere Motorräder zu versichern. Es gibt anscheinend nur eine, die das in den USA anbietet, jedenfalls habe ich keine andere gefunden. Sie heißt Fernet, hat ihren Sitz in Florida und stellt ohne viel bürokratischen Aufwand die erforderliche Police aus. Mindesthaftung kostet 58 Dollar plus 60 Dollar Gebühr, für einen Monat. Nun ja, Hauptsache, wir kriegen die Motorräder auf die Straße. Die zuständige Sachbearbeiterin heißt Cheryl, sie ist am Telefon sehr nett und hilfsbereit, so dass wir sehr zuversichtlich sind.

Danach waren wir in Chadd’s Ford, Pennsylvania, um meine bereits online angezahlte (200 $) Harley Dyna Low Rider anzuschauen und probezufahen. Verkäufer Christian Maassen trägt eine antike Omega an eineem nicht originalen, aber altmodischen Fixoflex-Armband, was ihn sofort sympathisch macht. Ich hab meine Speedmaster Mark 4,5 an, das verbindet.

Erste Sitzprobe auf meiner neuen Low Rider, ganz schön laut, finde ich

Die Harley ist cool, alles ok, für ein 18 Jahre altes Motorrad, wir fahren um den Blick. Christan auf einer 2018er Heritage fährt voraus. Okay, meine Harley fährt, doch sie macht einen Höllenkrach. Anscheinend bestehen die Schalldämpfer nur aus je einem dicken Rohr. Beim Gaswegnehmen knattert sie wie ein alter Peterbilt-Truck beim Bergabfahren mit Motorbremse.

Das geht so nicht, sage ich Christian, als wir wieder auf dem Parkplatz von Hannum’s Harley stehen, da werde ich taub bis nach San Francisco. Mike, der Mechaniker des Ladens kniet sich hinter die Harley, guckt in die Auspuffrohre, steckt den Finger rein und sagt: Keine Dämpferelemente mehr drin. Kurze Ratlosigkeit, dann findet sich in einer Ecke des Ersatzteillagers ein Satz Pythons für einen alte Twincam-Dyna. Die könnten sie dranschrauben, dann sollte es besser sein.

Auf geht’s zur Probefahrt, dabei fällt mir ein, dass ich seit 1999 zum ersten Mal wieder in USA Motorrad fahre, damals  war es eine Kawasaki Drifter in Florida

Okay, wir vertagen das Bezahlen also auf Mittwoch, die Papiere von der Versicherung sind eh noch nicht da. Als Christian Mike erklärt, was ich mit der Low Rider vorhabe, werden seine Augen groß und er applaudiert, sagt endlich jemand, der nicht nur drüber redet, sondern es auch tatsächlich macht. Ich hoffe, dass sich seine Begeisterung auf die Arbeit an meinem künftigen Motorrad doch auswirkt…

Abends essen wir mit Julia und Frank in einem sensationell guten mexikanischen Imbiss gleich ums Eck von der West 184th, wo sie (und wir bis Mittwoch) wohnen.

Dienstag, wir fahren wieder nach Pennsylvania zum Motorräder gucken, diesmal nehmen wir Julia mit, sie hat sich extra freigenommen, um einmal aus der Stadt rauszukommen.

Wir schauen zwei Triumph America an, die findet Doris irgendwie ein wenig zu fett und zu groß, doch die Alternativen (Yamaha Drag Star, Honda Shadow, Kawa VN 800) sind auch nicht zierlicher und kaum billiger.

Juan vom Philadelphia Cycle Center erklärt die Triumph, ganz schön fett, so eine America, findet Doris

Auf dem Rückweg nach New York fahren wir noch mal bei Brian’s Harley-Davidson in Langhorne, PA vorbei. Da entdecken wir eine wunderschöne kastanienbraun metallic-farbene Harley Sportster 1200 Custom, die uns allen sehr gefällt. Sie ist etwas teurer (weil von 2009, also quasi nagelneu), doch wir sind alle sehr angetan von der hübschen, zierlichen Sportster. Nun ja, das werden wir morgen entscheiden.

Leider ist die hübsche Sportster am nächsten Tag bereits verkauft, macht nichts, wir finden eine andere, zwar ältere, doch billigere 1200 Custom

Bei Sonnenuntergang auf dem New Jersey Turnpike. Heimweg nach Manhattan, auch nett, wenn man das mal schreiben kann. Im Übrigen widerstehe ich schon seit zwei Tagen der Versuchung, auf dem Turnpike „America“ von Paul Simon ins Auto zu streamen

2. Mai 2018

Scheint alles zu laufen, mein Motorrad ist bezahlt und zugelassen, jetzt bekommt es beim Händler noch die neue Auspuffanlage verpasst, gegen Mittag können wir es abholen. Wir sind in einem Motel in der Nähe von Media, PA, der Händler ist nur ein paar Meilen entfernt und die Avis-Station auf der anderen Straßenseite. Doch der Reihe nach.

Kia-Fahren in New York zwischen Central Park und Hudson River

Wir sind mit dem Mietwagen gestern aus New York abgereist, Julia und Frank müssen arbeiten und wir Motorräder kaufen. Den Mietwagen hatte wir in einem Parkhaus direkt um die Ecke abgestellt, das kostet 35 Dollar die Nacht, billig für Manhattan.

Und nun ein paar Sätze zu den Mietautos, das ist wahrscheinlich eine beruflich bedingte Deformation. Der Einfachkeit halber mieten wir erst bei Hertz ein Auto , weil es die nächste Vermietstation von Julias Wohnung ist, ebenfalls in der West 184th, ein paar Blocks entfernt. Das Auto ist ein Nissan Rogue, also ein Qashqai in US-Version. Ok, fahren wird der schon, der Hobel.

Dann entdecken wir den Nachteil des Arrangements: Die Station schließt um 18 Uhr, wer den Wagen später wiederbringt, kann ihn im Parkhaus abstellen, in welchem sich auch die Vermiet-Station befindet. Kostet 24 Dollar. Okay, das ist zwar halb soviel wie die Tagesmiete, aber das ist nun mal New York. Wieso so teuer, frage ich. Der Hertz-Typ zuckt die Schultern, two different businesses, sagt er.  Ja nee, ist klar.

Wir dokumentieren alle Kratzer an dem Rogue (es sind etliche) mit dem Smartphone, der Vermiet-Typ guckt, sagt aber nichts. Am Abend schaffen wir es natürlich erst um 20 Uhr zurück, wollen ins Parkhaus. Einen legalen Parkplatz am Straßenrand zu finden, ist selbst hier ganz m Norden von Manhattan unmöglich.

Alles klar, sagt der Parkhaus-Typ, das kostet aber nicht 24, sondern 45 die Nacht, weil der Nissan Rogue ein Oversize-Auto sei. Das ist in USA so lächerlich, als sagte man in der Bundesliga, dass Philipp Lahm ein Oversize-Spieler sei. Scheint  ein abgekartetes Spiel zwischen Parkhaus-Betreiber und Hertz-Filiale zu sein, wahrscheinlich stehen alle Autos von Hertz auf der Oversize-Liste.

Wir fahren lieber wieder weg und in das Parkhaus der Jewish University, das ist billiger und noch näher an Julias Appartement. Am nächsten Tag bringen wir den Rogue zu der Filiale zurück. Der selbe Typ sitzt hinterm Tresen, nimmt den Schlüssel zurück, ohne das Auto eines Blickes zu würdigen und sagt Goodbye. Da hätte man die Karre einfach vors Büro stellen und den Schlüssel auch einwerfen können, wie sonst überall auch. Nur nicht bei Hertz in der West 184th.

Am nächsten Tag holen wir ein Auto von Avis und fahren ein paar Stationen mit der U-Bahn zum Central Park um es abzuholen,.  Diesmal ist es ein Kia Forte, sozusagen die Dritte-Welt-Version des Cee’d. Wir fahren damit nach Pennsylvania zurück, ein Cee’d kann ja nicht so schlimm sein.

Doch dieser fährt wirklich mies, die Hinterachse poltert über Bodenwellen und bei leicht höheren Geschwindigkeiten auf der Interstate versetzt der Wagen richtig, muss bewusst wieder geradeaus gelenkt werden. Immerhin ist die Lenkung ok, also nicht schlimmer als in einem Europa-Kia. Ich google natürlich sofort nach und finde heraus, dass der Forte, anders als der Cee’d eine einfache Verbundlenker-Hinterachse hat, und zwar eine sehr schlechte abgestimmte. Ich male mir aus, wie der Kia mit Sandsäcken im Kofferraum auf Bahn 4 oder 5 der Holperstrecken in Boxberg abschnitte.

Das ist unser Kia Forte, er darf heute zurück zu Avis. Immerhin war er billig, 110 Dollar für drei Tage

In Deutschland wäre so ein Auto unfahrbar, der würde vermutlich bei 160 nach der ersten Bodenwelle rechtwinklig in die Leitplanke abbiegen. Ich bin ja ohnehin der Meinung, dass die Auto in Europa hauptsächlich deswegen so gute Fahrwerke und Bremsen haben, weil sie in Deutschland so schnell gefahren werden, und das auch können müssen. Anderenfalls führe wahrscheinlich alles diesseits des Premiumsegments wie, nun ja. wie ein Kia Forte in US-Version. Gern geschehen, Rest von Europa.

Ach ja nebenbei haben wir auch für Doris ein Motorrad gefunden und gekauft, eine sehr preiswerte und hübsche Harley Sportster 1200 Custom. Doch dazu später mehr.

Doris und ihre Sportster 1200, das erste Motorrad, und dann gleich eine Harley. Bei mir war es eine abgeschrabbelte XT 500 für 1200 Mark

3. Mai 2018

Ja, ich hab meine Harley, sie steht draußen vor der Tür, fährt und sie hat ein bis Ende Juni gültiges provisorischen Kennzeichen dran. Die Zeit bis zur geplanten Übergabe meines Motorrads wollten wir nutzen, um in Motorrad-Zubehörläden nach weiterem Kleinkram zu suchen, etwa Packtaschen für Doris‘ Sportster. Revzilla am Rand von Philadelphia sei eine gute Adresse,

Jetzt ist sie endgültig meine, hier noch im Showroom von Hannum’s in Chadd’s Ford. Und zum ersten Mal im Bild zu sehen: meine neuen Boots

Die Fahrt dahin war allerdings das beste an dem Laden. Der liegt im ehemaligen Marinehafen von Philadelphia am Delaware River, und weil eine Straße gesperrt war, mußten wir einer abenteuerlichen Umleitung folgen. Die führte an Kaimauern entlang und um verlassene Ecken des Hafens, so dass sich sogar ein Mitarbeiter der städtischen Wasserversorgung mit seinem weißen Ford-Pickup verfahren hatte. Er wendete in der selben Sackgasse wie wir, wir sahen ihn dann zehn Minuten später in der richtigen Straße wieder.

Die Umleitung führte vorbei an Dutzenden offenbar außer Dienst gesetzten Kampfschiffen, eine sehr bizarre Szenerie, und falls jemand einen Film in Philadelphia drehen will, das ist die richtige Location für eine Autoverfolgungsjagd. Platz ist da jedenfalls genug, das Gelände ist riesig.

Säuberlich aufgereiht: Ausrangierte Kriegsschiffe in Philadelphia

Im Laden gab es nichts für uns, er schien eher auf 400 Dollar teure Kevlar-Jeans für urbane Motorrad-Hipster spezialisiert. Danach holen wir mein Motorrad, fertig ist es zwar, nur der Title (Kfz-Besitzurkunde) fehlte noch, der sollte aus einer anderen Filiale des Händlers geholt werden. Während wir warteten, erklärt Mike, der Mechaniker (er heißt wirklich so), dass sie leider beim Montieren die Halterung der Navi-Stromversorgung abgebrochen hätten. Die übergab ich ihm am Tag davor, mit der Bitte sie zu montieren, wenn sie das Motorrad fertig machen. Zum Trost gibt er mir einen USB-Adapter für den Batterielade-Stecker, der ebenfalls am Motorrad verbaut ist.

Die neue Vance&Hince-Auspuffanlage ist jedenfalls dran, also warten wir auf den Title. Nachdem alle Formalitäten erledigt sind, schiebe ich die Harley aus dem Showroom, starte sie, Doris versucht mit dem iPhone zu filmen, das klappt nicht ganz.

Ach ja, ich vergaß zu erwähnen, dass inzwischen der Sommer ausgebrochen ist, 35 Grad waren es zwischendurch. Also fahre ich im T-shirt die ersten paar Meilen bis zum Motel. Der neue Auspuff donnert ganz schön, aber lange nicht so laut, wie der kaputte Auspuff davor. Am Motel montiere ich die Stromversorgung selbst und klebe die kaputte Halterung mit Klett-Bänder innen an die Scheibe, passt.

Inzwischen kommt Ingo, Cousin und Ex-Mitbewohner. Er ist zufällig beruflich in Philadelphia und hat bis Sonntag Zeit und sich ein Harley geliehen, eine metallicrote Street Glide. Ingo ist Ingenieur und auf Vakuum-Pumpen spezialisiert, er guckt zu, während ich die Stromversorgung an der Batterie verkable. Sagt nichts, also sollte alles ok sein. Der Stecker funktioniert, wir fahren zu dritt mit den beiden Motorrädern Pizza essen. Morgen holen wir die Sportster aus Valley Forge, dann geht es richtig los!

Ingo schaut zu, der Motelangestellte im Hintergrund beobachtet und aufmerksam uns wirft ab und zu einen unverständlichen Kommentar ein

4. Mai 2018

Es ist so viel passiert, dass ich gar nicht so recht weiß, wo beginnen. Wir fahren vormittags gegen zehn los nach Valley Forge, um die Sportster abzuholen. Tatsächlich gelingt es uns, drei Personen und all unser Gepäck auf die zwei Motorräder zu verteilen. Doris fährt bei Ingo mit, ich schnalle unsere beiden Packsäcke auf die Low Rider, dazu den Tankrucksack und den Tank und meinen Rucksack auf den Rücken. So können wir den Mietwagen direkt abgeben.

Voll bepackt in Valley Forge: meine Low Rider und Ingos Street Glide

Nach Valley Forge sind es nur rund 30 km, wir sind trotz Verfahrens bald da. Das Motorrad ist fertig, die Zulassung allerdings nicht. Es gibt etwas Hin und Her am Telefon, schließlich scheint alles ok, wir können Nummernschild und Zulassung beim Zulassungsbüro direkt um die Ecke abholen. Dort erhält Doris ein Nummernschild, einen riesigen Pappkarton, der so groß ist, dass jeder deutsche Zulassungsstellen-Beamte neidisch würde. Bei meinem Bike hatten sie mir zu dem großen noch ein kleines, einlaminiertes Kennzeichen gedruckt, das gut hinten an den Nummernschildhalter passt.

Foto zum Abschied: Craig und Doris mit der gerade erworbenen Sportster

Egal, wir wollen los. Mittlerweile ist es nach 14 Uhr, wir fahren die ersten Meilen. Erst über ein paar kleine Straßen, durch ein Tal mit Flüßchen und blühendem Flieder, richtig gut zum Eingewöhnen für Doris, die ja tatsächlich die ersten Motorrad-Kilometer in freier Wildbahn ohne Fahrlehrer hinter sich fährt.

Wenig später halten wir bei einem Wawa-Store, um Sandwiches und Eiskaffee zu holen. Da sehen wir, dass an der Sportster ein paar Öltropfen am Getriebdeckel hängen und einer davon auf den Asphalt tropft. Ok, beschließen wir, mal sehen, was sich da auf den nächsten Meilen tut.

Ein paar Kilometer weiter ist die linke Seite der Sportster ölverschmiert, scheint also nicht nur ein Tropfen zu sein. Wir rufen in Valley Forge an, die sind sehr besorgt, Craig, der Verkäufer ist untröstlich, sagt er schickt sofort einen Wagen, der uns abholt.

Während wir warten, kippt mein Motorrad vom Ständer, der Straßenrand ist sehr abschüssig. Es passiert nichts, die Harley fällt recht weich, unter anderem auf Doris Jacke und iPhone. Das ist jetzt abenteuerlich verbogen, funktioniert aber noch.

Chicken Sandwich und Eiskaffee, die Sportster tropft etwas

Ihr Motorrad übrigens ebenfalls. Zurück in der Werkstatt stellen sie fest, dass sie eine falsche Dichtung verbaut hatten. Dichtung gewechselt, Öl wieder rein, das Ganze dauert kaum zehn Minuten.

Dennoch ist es fast Abend, wir beschließen nach Lancaster zu fahren, weil dort ein Harley-Händler einen Schlüsselsatz für mein Motorrad auf Lager hat. Es hatte bei der Auslieferung nur einen. Also düsen wir die 80 km nach Lancaster, schaffen es kurz vor Ladenschluss.

Es beginnt zu tröpfeln, wir suchen ein Motel, mitten in Amish Country. Das ist schon schräg, wenn man die Pferdekarren auf der Straße sieht und Jauchewagen, die mit vier Arbeitspferden bespannt sind. Abends um 19 Uhr sind die Amish-Farmer noch auf den Feldern mit ihren Pferden und Geräten. Allerdings nicht immer konsequent. Wir fahren an einer Farm vorbei, da lässt der Farmer mit Amish-Hut sein Erntegerät von vier Pferden übers Feld ziehen, während in der Hofeinfahrt die Frau den Rasen mit einer Motorsense trimmt. Wer Motorsensen benutzt, kann auch Traktor fahren. Aber vielleicht ist da doch noch ein Unterschied, wer weiß?

5. Mai

Das hat mit dem erneuten Zwischenstopp in Valley Forge etwas länger gedauert als geplant. Aber wir sind nun in Ocean City. Hier beginnt der US Highway 50 und endet 3000 Meilen weiter westlich in Sacramento.

Kaffeepause bei Wawa, das ist eine Tankstelle mit angeschlossenem Kaffee-und Sandwichshop

Heute vormittag sind wir in Lancaster eher später als geplant losgefahren und haben zu spät gemerkt, dass uns das Navi auf dem selben Weg nach Nordosten und dann erst nach Süden Richtung Ocean City. Egal, wir fahren weiter, halten kurz zum Tanken und Kaffee trinken. Das Wetter ist eher durchwachsen und wird immer kühler, je weiter wir nach Süden kommen.

So um die sieben Gallonen passen in die Tanks, Preis meist um die drei Dollar je Gallone

Bald sind wir in Delaware, folgen dem Highway 1, biegen dann auf eine Nebenstraße ab und kommen zufällig am Airforce Museum in Dover, Delaware vorbei. Die Flugzeuge interessieren Doris nicht sonderlich, es sind hauptsächlich Transportflugzeuge des Airlift Commands, vom Lastensegler für die Landung in der Normandie bis zur Lockheed Galaxy, die wie ein Gebirge in der flachen Landschaft steht.

Motorradparkplatz am Airforce Museum

Dafür vergisst sie den Schlüssel im Zündschloss, das Licht bleibt an und die Sportster startet nach dem Museumsstopp nicht mehr . Der erste Einsatz für meine Lithium-Ionen-Powerbank. Wir legen die Batteriepole frei, Powerbank angeklemmt, wumms, läuft die Sportster wieder.

Bevor wir die Sportster anwerfen noch schnell ein Selfie vor der Ex-Airforce Two

Auf den letzten Kilometern nach Ocean City beginnt es zu regnen, wir sind froh, als wir am Motel ankommen. Der versprochene Ocean View ist eher ein Parkplatzview, aber links hört man den Atlantik rauschen, während wir vor dem Motelzimmer sitzen und ein Yuengling Lager aus der Dose trinken.

Morgen früh muss Ingo los, nach Philadelphia zum Arbeiten und wir starten endlich auf dem US 50 nach Westen.

7. Mai 2018

Meile 0 am Boardwalk in Ocean City

Seit Sonntag vormittag sind wir nun tatsächlich unterwegs auf dem Highway 50, bei allerdings sehr durchwachsenem Wetter. Schon beim Start in Ocean City ist es sehr trüb, die Fahrt über die Chesapeake-Halbinsel und die Bay Bridge ist grau, etwas kühl und eher langweilig. Immerhin regnet es nicht.

Doris fährt schon mal voraus, auf den nächsten 3073 Meilen werde ich sie schon einholen

Die Entscheidung, am Sonntag durch den Großraum Washington zu fahren, erweist sich als richtig, der Verkehr ist dünn, wir folgen dem Highway. Der führt direkt am Weißen Haus vorbei, wir halten nur kurz. Obwohl es immer noch eher kühl ist, beschließen wir, die erste Nacht im Zelt zu verbringen. Das Internet zeichnet einen Campingplatz in den Wäldern von Virginia aus, Mountain Lake Camp, klingt ja ganz gut.

Unser erster Zeltplatz in den Wäldern von Virginia

Der Platz ist eine sumpfige Wiese, wir sind die einzigen Zelter, am Eingang steht noch ein Wohnmobil aus Quebec. Die restlichen Bewohner sind Dauercamper, die gern ausrangierte Kühlschränke, Pick up-Wracks und weiteres Zeug um ihre Mobilhomes häufen. Die sanitären Anlagen entsprechen dem Standard eines rumänischen Campingpatzes der 80er.

Vielleicht hätte uns das Hinweisschild zum Campingplatz warnen sollen

Nun ja, wir sind müde und wollen nicht weiter, also bleiben wir. Eigentlich war die Fahrt von Washington bis her schon interessant. Der Highway 50 wird auf wenigen Meilen aus einer sechsspurigen Straße, die durch die westlichen Suburbs von Washington in Virginia führt, zu einer ländlichen Straße. Sie schlängelt sich durch eine der wohlhabendsten Gegenden der USA mit riesigen Landhäuser, Gestüten, Weingütern und kleinen Dörfern. Sieht alles ein wenig wie in Südengland aus, sicher ein gewollter Effekt.

Eine halbe Stunde weiter im Westen wird es einsamer und erkennbar ärmlicher, der Wald dichter, die Straße wieder vierspurig.

Ach ja, die Nacht im Zelt. So gegen 23 Uhr lärmt unser Dauercamper-Nachbar mit seinem V8-Pickup auf den Platz, hält vor seiner Hütte, beginnt wie wild Holz zu hacken, das er auf die Ladefläche wirft. Nach einer Viertelstunde düst er wieder ab, kommt um halb 3 wieder. So ist das im ländlichen Virginia.

Wir verlassen den Platz gegen halb 10 und hoffen, dass unsere Motorräder jetzt wenigsten ihn wecken. Zumindest ich hoffe das.

Der zweite Tag auf der Straße ist etwas freundlicher, wettermäßig jedenfalls. Wir kurven durch West Virginia, es geht eher langsam voran. weil es bergiger wird.Der Highway ist nur zweispurig, windet sich durch die Allegheny Mountains. Wir durchqueren den südwestlichsten Zipfel Marylands, dann sind wir wieder in West Virginia. Hier ist der Frühling noch nicht so weit, die Bäume noch weitgehend ohne Grün. Das ändert sich etwas, sobald wir wieder in die Täler kurven.

Der Frühling kommt auch in West Virginia

Schließlich erreichen wir Grafton, wollen im Walmart Doris Nummernschild kopieren, damit sie nicht mehr mit dem albernen Karton hinten herumfährt. Das geht zwar bei Walmart nicht, doch die freundlichen Mitarbeiter verweisen uns an die örtliche Library. Dort verkleinert eine Mitarbeiterin das Schild, laminiert es ein, und alles für 1,50.  Wir montieren das neue Schild, der Karton kommt zu den Fahrzeugpapieren in den Rucksack.

Aus Ausgleich zur letzten Nacht gönnen wir uns die Trygart Lake Lodge, ein sehr schönes und preiswertes Motel im gleichnamigen State Park. Allerdings ist das Essen nicht ganz so brillant wie das Zimmer mit Seeblick.

Doris hat nun fast schon die ersten 1000 km auf ihrer Sportster gefahren, sie macht das großartig, immerhin sind es ihre ersten 1000 Motorrad-Kilometer in freier Wildbahn.

Biker grüßen sich übrigens auch hier, es sind allerdings nur wenige, die auf dem Highway 50 unterwegs sind, gestern waren es insgesamt vier, zwei auf Harleys, die uns entgegen kamen und zwei mit R 1150 GS und Yamaha Fazer, die uns überholten.

Meist ist es ziemlich einsam auf dem Highway 50

10. Mai 2018

Nun sind wir schon fast 1000 Meilen von der Küste entfernt, vier Tage auf der US 50, an denen wir nach meiner Meinung zu wenig, nach ihrer Meinung eher etwas zu viel gefahren sind. Wir sind bei Doris‘ Cousin in Bloomington, Indiana, wo wir auf eine UPS-Lieferung warten. Doris hat nämlich nicht nur ihren Helm, sondern auch ihren Führerschein zuhause vergessen hat. Bisher hat der Ausdruck eines Fotos des Führerscheins gereicht, aber wahrscheinlich ist es besser, das Original dabeizuhaben, wenn man unterwegs von Buford T. Justice angehalten wird.

Einen neuen Helm hat Doris bereits in Philadelphia gekauft, da gab es bei einem Motorradhändler einen wunderschönen Bell-Helm im Sonderangebot, schwarz mit Retro-Streifen-Design. Ich bin etwas neidisch, habe nur aus zwei Gründen nicht ebenfalls einen gekauft: Ich finde Helme im Partnerlook bei anderen Bikern immer etwas albern. Und ich möchte nicht mit zwei Helmen durch die Gegend reisen.

Der neue Bell-Helm im Streifendesign

Ich habe mir dafür direkt am Anfang der Reise in Media ein Paar Cowboy-Arbeitsstiefel im Westernlook gekauft und meine mitgebrachten ausgelatschten Boots im Motel weggeworfen.

Meine neuen Stiefel, bereits etwas patiniert von 1000 Meilen on the road

Ansonsten waren die beiden Tage nach unserer Übernachtung in der Lodge am Tygart Lake eher ereignisarm. Wir sind durch West Virginia, Ohio und Indiana gefahren, haben den Ohio River überquert und zwischendurch am Paint Creek-Stausee in Ohio gezeltet.

Neues Kaffeekochsystem mit Tütchen

Doris hat übrigens ein neues Camper-Kaffeekochsystem gekauft, kleine Filtertütchen, die man über die Tasse hängt, funktioniert leidlich.

Und wir haben Cincinnati auf der Interstate umfahren, ein Fehler. Die Interstates sind die gefährlichsten Straßen in USA, alle donnern mit 70 mph vor sich hin, die Lkw eher etwas schneller, und machen dabei alles andere, außer Autofahren. Mich übersieht tatsächlich ein Idiot in einem älteren Honda-SUV beim Spurwechsel, beginnt rüberzuziehen, obwohl ich praktisch neben seiner Fahrertür herfahre. Als ich hupe, sieht er mich an wie eine Kuh, wenn’s donnert und setzt seinen Spurwechsel fort.

Wir verlassen die Interstate schnell wieder und fahren über kleinere Wege nach Bloomington.

Es gibt natürlich auch schönere Begegnungen, so wie die mit Jerzy aus Polen. Er ist der erste Motorradreisende, den wir treffen, sitzt an einer Tankstelle im Schatten und raucht, was schon ein erster Hinweis daraus sein könnte, dass er kein Amerikaner ist. Außerdem fährt er eine Kawasaki KLR 650 und trägt Goretex-Klamotten. Und am rechten Alukoffer klebt ein Poland-Sticker.

Jerzy zeigt Doris Facebook-Fotos seiner früheren Reisen

Er spricht kaum Englisch, obwohl er seit zehn Jahren als Hausmeister in Chicago arbeitet und erzählt von seinen Erlebnissen in Alaska, Arizona und sonstwo. Uns fragt er nichts. Nach einer weiteren Marlboro Light steigt er auf seine KLR und fährt weiter nach Osten.

Oder das Treffen mit der alten Dame an der Tankstelle in West Virginia. Sie ist mindesten 80, tankt ihren 67er El Camino und freut sich, als ich sie auf das Auto anspreche. Dann schimpft sie über die Spritpreise, dass das alles Gauner seien, sie habe gerade drei Dollar für die Gallone bezahlt, nur damit die Share Holders ihre Taschen füllen. Aber die Reichen kämen ohnehin nicht in den Himmel, das stehe schon in der Schrift. Sagt es, wuchtet zwei Sprit-Kanister auf die Ladefläche des El Camino, startet den Smallblock-V8 und donnert davon.

Grandmas Buggy heißt der 67er El Camino, sagt die alte Dame, bevor sie über die Reichen aus der Ölindustrie schimpft

Kleiner Nachtrag: Während wir auf den UPS-Wagen warten, fahren wir kurz zum lokalen Harley-Laden um zwei Kleinigkeiten an den Motorrädern richten zu lassen. Bei meiner ist die Leerlaufdrehzahl zu hoch, bei der Sportster  der Schalthebel samt Fußraste etwas hochgebogen. Das richten zwei Mechaniker in wenigen Minuten, kostet nichts. Dazu schenken sie uns noch einen Harley-Touring Handbook mit einem Händlerverzeichnis. Wir kaufen dann noch ein kleines Toolkit, die Harleys haben ja Zollschrauben. Jetzt haben wir wenigstens etwas dabei, um lose Schrauben und ähnliches wieder anzuziehen.

Die Schrauber in Bloomington sind sehr nett und hilfsbereit, ein HOG Touring Handbook schenken sie uns obendrein

UPS wirft im Übrigen die Sendung einfach so vor die Tür, ohne zu klingeln oder nachzuschauen, ob jemand zuhause ist. Und das obwohl in fettem Rot Documents auf den Umschlag gestempelt wurde. Wie bei uns also. Jedenfalls hat Doris jetzt ihren Führerschein dabei.

13. Mai 2018

Nun sind wir tatsächlich schon seit zwei Wochen unterwegs, davon eine Woche auf den Motorrädern. Und sind kurz vor Kansas City. Noch ein paar 100 Meilen, dann kommen wir in Kinsley, Kansas an jenem Schild vorbei, auf dem steht, dass hier die Hälfte der Strecke zwischen New York und San Francisco ist.

Wir haben es geschafft, zumindest über den Mississppi, Doris und unsere Motorräder am Gateway Arch in St. Louis

Aus Bloomington haben wir uns am Donnerstag verabschiedet. Doris‘ Cousin wohnt mit seiner Familie in einem wunderschönen alten Haus, und es fällt uns ein wenig schwer, wieder auf die Motorräder zu steigen und weiterzureisen.

Wir fahren am Nachmittag noch so um die 100 Meilen, übernachten auf einem Campingplatz. Am nächsten Tag St. Louis, der Mississippi und der Gateway Arch, wir sind in Missouri.

There’s a road strechted out between us like a ribbon on the high plains…

Es ist heiß rund um St. Louis, viel Verkehr, wir schwitzen in den Motorradklamotten, fahren noch weiter bis Eureka, nehmen ein Motelzimmer, Super 8. Hier teilen sich die US 50 und die Route 66 für ein paar Meilen die Routenführung, dann biegt die Route 66 nach Süden Richtung Oklahoma ab.

Einfache Täfelchen markieren hier den Verlauf der alten Route, sonst weist nichts darauf. Direkt daneben verläuft die Interstate. Und das erste Auto, das uns auf der alten Strecke entgegen kommt, ist ein roter Lamborghini Countach. Nachher frage ich Doris, ob sie den Countach gesehen habe, nein, hat sie natürlich nicht.

Wir fahren am Missouri entlang nach Westen, verlassen für einige Zeit die US 50, weil die Straße am Fluß schöner sein soll. Ist sie auch.

Selbstauslöserfoto am verlassen Motel an der Route 66

Der Highway 100 heißt hier Lewis&Clark-Trail, weil er dem Weg nach Westen der Expedition von 1804 folgt, die dann später in Oregon den Pazifik erreichte.

Wir kommen an alten Städten wie New Haven und Hermann vorbei, trinken Kaffee und essen zwischendurch was. Gegen Abend verpassen wir die Abfahrt zu einem State Park, landen schließlich wieder in einem Super 8-Motel, billiger und sauberer als das in Eureka. Und nun kommt Kansas City.

15. März 2018

Wir haben es geschafft. Also die Hälfte. Gestern Abend sind wir in Kinsley an jenem Schild, das sich ein wenig großspurig „Midway USA“ nennt, vorbeigekommen. Und weil es in Kingsley keine akzeptable Übernachtungsmöglichkeit gibt, sind wir 40 Meilen weiter bis nach Dodge City gefahren. Knapp über 260 Meilen, unsere längste Fahretappe bisher.

Die Hälfte des Wegs ist geschafft, wir auch ein wenig

Dafür haben wir den Tag davor etwas verbummelt. Es war sehr heiß, wir sind in gekühlten Burgerläden und Tankstellenshops abgehangen und waren in einem Stausee schwimmen. Und wir trafen einen weiteren Traveler, diesmal einen mit Fahrrad. Der hatte sein Koga Miyata-Tourenrad neben unseren Motorrädern vor der Tankstelle geparkt. Die Ortlieb-Packtaschen deuteten bereits darauf hin, dass er nicht in Kansas zuhause ist.

Koga Miyata-Rad, Ortlieb-Taschen, bestimmt kein Einheimischer

Wir sprechen ihn an, ein Niederländer, der mit dem Fahrrad aus Denver nach Washington unterwegs ist, stellt sich heraus. Da geht es immerhin bergab, ist aber doch verdammt weit. Er ist seit 23. April unterwegs, erzählt er. Und wir denken, dass wir in zwei Tagen in Colorado sind.

Wir übernachten wieder in einem State Park an einem Stausee. Unser Vorgänger hat einen Haufen Holz und Kohle in der Feuerstelle zurückgelassen, so dass wir zum ersten Mal zu einem richtigen Campfire kommen. Auch weil wir Grillanzünder gekauft haben, der das Holz recht schnell entfacht.

Unser erstes Campfire

Am Morgen startet die Sportster mal wieder nicht, Einsatz zwei und drei für meinen Li-Io-Powerpack von Conrad Electronic. Eine wirklich gute Anschaffung. Man kann damit unterwegs Telefone und Tablet aufladen und ab und zu eine Harley starten, genial. Wir beschließen dann doch einen neue Batterie für die Sportster zu kaufen. Das erledigen wir in Emporia, wo wir zufällig an einer Motorradwerkstatt vorbeifahren.

Für den Rest des Tages verlassen wir die US 50 und weichen auf die US 56 aus, die dem Santa Fe-Trail folgt. Zum Teil sind die Spuren der ehemaligen Handelsstraße von den Missouri-Häfen nach Südwesten in das Gebiet des heutigen Kansas und New Mexico immer noch zu sehen.

So sieht es aus in Kansas

Daneben verläuft die Bahntrasse nach Dodge City, die nach dem Bürgerkrieg den Santa Fe-Trail überflüssig machte. Die Plains drumherum sind gar nicht so langweilig wie befürchtet. Es ist nie ganz flach, Ölfelder, Weiden und Felder wechseln sich ab und die riesigen Getreidesilos und Wassertürme zeigen schon lange vorher an, wo menschliche Ansiedlungen sind.

Fort am Santa Fe-Trail, jedenfalls das Hinweisschild – leider geschlossen

Dodge City, wieder Super 8, scheint sich zu unserer Lieblings-Motelkette zu entwickeln. Im Übrigen lohnt es sich immer, bevor man nach einem Zimmer fragt, im Internet bei einer Buchungsseite zu checken, was das Zimmer kostet. Meist sagen sie an der Rezeption einen höheren Preis. Wenn man dann anwortet, im Internet koste es nur 50, sagen sie meist sowas wie ok, dann 50.

Kurz vor Dodge City

Allein dafür hat sich der Erwerb einer SIM-Karte mit US-Flatrate (50 Euro bei Amazon) gelohnt.

16. Mai 2018

Eigentlich wollten wir ja heute wieder zelten, doch die Gewitterwolken am westlichen Horizont lassen uns dennoch in Lamar, Colorado nach einem Motel suchen. Sehr weit sind wir heute nicht gefahren. Nach einem späten Start in Dodge City, das wir insgesamt etwas enttäuschend finden, folgen wir weiter der US 50, die hier immer noch am alten Santa Fe-Trail entlang verläuft.

Dodge City hat nicht so viel zu bieten

Morgens regnet es noch, bis mittags ist es bewölkt und kühl. Dennoch halten wir an einer der Historic Sites entlang des Highway. Hier sind die Wagenspuren des Trails noch gut in der Prairie zu erkennen, vor 150 Jahren zogen Wagenkolonnen mit Handelswaren auf dem Weg nach Mexiko hier vorbei und Millionen von Bisonhäuten wurden nach Osten zum Missouri transportiert.

Am Santa Fe-Trail, unten fließt der Arkansas River, in die Prairie sind 150 Jahre alte Wagenspuren eingeprägt

Leider verpassen wir in Dodge City die Markierung des 100. Längengrads, der ja interessanter Weise nicht nur eine klimatische Grenze zwischen den semiariden westlichen Plains und den semihumiden östlichen bildet, sondern zeitweilig ebenso die französische von der spanischen Einflusssphäre im südlichen Nordamerika trennte und danach eine Grenze zwischen den jungen Staaten USA und Mexiko darstellte.

Ein Briefkasten in the middle of nowhere

Wir fahren weiter, der Himmel klart auf, wir sind beide sehr beeindruckt von der Landschaft, die alles andere als langweilig ist. Es wird hier im Westen von Kansas flacher, man kann tatsächlich bis zum Horizont sehen und manchmal tauchen erst die Spitzen der riesigen Getreidespeicher hinter der Erdkrümmung auf, wie die Masten der Segelschiffe auf dem Ozean.

Im Westen von Kansas

Der Himmel ist scheinbar unendlich weit, die Straße meist gerade, wenig befahren. Links und rechts sind Ranches mit großen Rinderherden, die man meist riecht, bevor man sie sieht. Die meisten Trucks sind Viehtransporter, sie ziehen einen Schleier heißer Luft und Rinderduft hinter sich her, wenn sie vorbei ziehen.

Mit der Harley zählt man hier übrigens zu den langsamsten Verkehrsteilnehmern. Wir pendeln uns meist bei um die 60 mph ein, die Trucks ziehen oft mit mindestens 75 vorbei.

Die richtig alten Autos sind weiter hinten gestapelt

Wir halten zwischendurch ein paar Mal, trinken Kaffee, essen bei Subway (zum ersten und zum letzten Mal) ein Sandwich und tanken zwischendurch. Rund 120 Meilen weit kommen wir mit je einer Tankfüllung. Die Sportsterbenötigt immer etwas weniger als die Dyna, erwähnte ich das bereits? Öl brauchen wir so gut wie nie, ein-zwei Mal schauen wir nach dem Luftdruck. Manometer gibt es hier an den Tankstellen übrigens so gut wie nie, wir kaufen in einem Tankstellenshop einen billigen Luftdruckprüfer für zwei Dollar.

Die Rocky Mountains sind noch weit

Und am Abend essen wir Steak, ich ein großes Ribeye, Doris ein kleines Sirloin, beide sehr gut, zart und saftig, wirklich exzellent, wie sich das für diese Coyboy-Gegend gehört.

Die Rocky Mountains sind noch weit. Morgen kommt die nächste Etappe.

17. März 2018

Der nächste Fahrtag ist vorbei, für mich einer der schönsten. Wir starten an dem seltsamen Motel, in dem wir am Abend davor landen. Es hat eine angeschlossene Mehrzweckhalle namens Cow Palace. Das macht es mir natürlich sofort sympathisch, denn, wie allgemein bekannt, wurden der Film und die Live-Aufnahmen für Rust Never Sleeps 1978 im gleichnamigen Cow Palace in San Francisco aufgenommen. In diesem Cow Palace in Lamar, Colorado hat Neil Young  noch nicht gespielt, obwohl man sich bei ihm da nicht so sicher sein kann. Frühstück gibt es angeblich bis 9, doch als wir eine halbe Stunde vorher zum Frühstückraum kommen, ist es da nichts mehr außer Kaffee, Cornflakes und Milch. Das hat auch sein Gutes, weil uns der Hunger kurz vor Mittag in La Junta ins Copper Kitchen treibt.

Da hinten fließt der Arkansas River

Doch vorher besuchen wir noch Bent’s Old Fort, angeblich bis Mitte des 19 Jahrhunderts das größe Gebäude im amerikanischen Westen an der Grenze zu Mexiko (damals am Arkansas River)

Das ist ein kleines Breakfast- und Lunch-Restaurant, hat nur bis 14 Uhr geöffnet und wird offenbar nur von Einheimischen besucht, anscheinend kennen sich alle, die hier ein- und ausgehen. Der Chef kommt vorbei, verwickelt uns in Gespräche und sagt mehrmals, wie sehr er sich freut, dass wir reingeschneit sind.

Copper Kitchen in La Junta, Colorado, unser Tipp, falls Ihr da mal vorbei kommen solltet

Wir essen Sandwiches und trinken Kaffee, der Chef gibt uns Tipps zur Tourenplanung und wünscht zum Abschied Gottes Segen für die weitere Fahrt.

Kurz hinter La Junta tauchen die ersten Schatten der Rocky Mountains am Horizont auf, erst kaum sichtbar, dann immer deutlicher und größer. Bald erkennen wir rechts den Pikes Peak. Wir fahren um Pueblo herum, es ist wieder sehr heiß.

Bald sehen wir die Umrisse der Berge am Horizont

Bald windet sich der US 50 entlang des Arkansas River immer höher in die Berge, es wird schattiger und kühler und wir bummeln etwas, bevor wir in Salida ankommen. Erst suchen wir einen Campingplatz, landen dann doch wieder in einem Motel, wie sich herausstellt das zweitschönste unserer Fahrt. Für 65 Dollar die Nacht.

Trink- und Fotopause am General Store in Cotopaxi. Der Ort hat 47 Einwohner, einen Laden mit Tankstelle und wurde tatsächlich Mitte des 19.Jahrhunderts nach dem Vulkan in Ecuador benannt

Salida ist ein Urlauberort, an jeder zweiten Ecke gibt es Touren- und Raftinganbieter und ähnliches. Wir essen abends draußen in einem Restaurant am Arkansas River, trinken noch ein Bier bei Livemusik in der nächsten Bar. Morgen geht’s weiter Richtung Million Dollar Highway und Durango.

Nightlife in Salida

19. Mai 2018

Bluff, Utah. Zwei Motels, eine Tankstelle und ein überteuertes Steakhouse mit mäßigen Steaks. Wir sind kurz vor dem Monument Valley, in den beiden letzten Tagen sind wir ein gutes Stück weitergekommen, wenn auch nicht auf der US 50.

Aus Salida führt der Highway über den Monarch Pass, die Wasserscheide zwischen Atlantik und Pazifik, nicht sehr spekakulär, aber mt vielen schönen weiten Kurven. Am ersten Anstieg treffen wir einen Biker aus Oklahoma mit seiner Sportser. Er nuckelt an einem Wasserpfeifchen, ist in Colorado ja erlaubt, und erzählt, dass er direkt an der Route66 wohnt.

Am Monarch Pass, 3448 Meter hoch

Der Monarch Pass ist Doris‘ erste Passstraße im Hochgebirge, und dann gleich ein 3000er in den Rockies! Macht sie sehr gut, sie hat ja inzwischen auch weit über 2000 Meilen auf ihre Sportster gebrummt.

In Gunnison essen wir Burger in einem Café an der Straße, die Bedienung bringt mir den falschen, was ich erst merke, als ich reinbeiße. Den richtigen bringt sie danach, zwei kann ich dennoch nicht essen.

Der namenlose Biker aus Oklahoma mit der Sportster und dem Wasserpfeifchen

In Montrose überlassen wir den US 50 sich selbst und biegen nach Süden in RIchtung Million Dollar Highway ab. Zum einen haben wir noch viel Zeit und drehen lieber noch eine Runde durch den Südwesten, zum anderen geht die Route des 50 ab hier nach Norden und dann über Grand Junction auf die Interstate 70, bis nach Nevada zur Lonliest Road. Das erscheint wenig verlockend.

Der Million Dollar Highway ist atemberaubend schön, wie ganz Colorado übrigens. Die Plains im Osten, die Berge und danach die Wüste, sehr unbescheiblich. Wir wollen bis nach Durango, auch weil es zwischen Montrose und Durango nicht so viel gibt.

Millon Dollar Highway, den Namen trägt er wegen der einstmals ertragreichen Silberminen in den Bergen

Kalt ist es oben auf den Passhöhen, merklich freundlicher wird es erst, als wir schon fast in Durango sind. Dort suchen wir einen Campingplatz in einem Canyon, wird mal wieder Zeit für eine Nacht draußen.

Die wird überraschend kalt, was auch dazu beträgt, dass wir recht früh wieder unterwegs sind. Trinken Kaffee und frühstücken in Mancos, kurz vor dem Mesa Verde National Park.

Kurzer Stopp im Mesa Verde National Park

Am Visitor Center des Parks steigen wir ab, da passiert es: Doris fummelt die Canon aus dem Tankrucksack, da macht es plong und das Objektiv landet auf dem Asphalt. Irgendwie scheint sich die Verriegelung losvibriert zu haben, jedenfalls war es offenbar lose. Danach passt es nicht mehr in die Aufnahme, obwohl es äußerlich keine Schäden hat. Später sehen wir dann, dass an einer Stelle des Bajonetts winzige Macken dran sind, offenbar reicht das aus.

Im Walmart in Cortez, dem einzigen größeren Laden im Umkreis von 30 Meilen haben sie keine natürlich Objektive, ich überlege, eine Canon Powershot irgendwas für 250 Dollar zu kaufen, mache es dann doch nicht und ärgere mich hinterher. Denn nur mit dem iPhone zu fotografieren, ist irgendwie auch doof.

Ab Mesa Verde wird es wüstlicher

Den Rest des Tages verbringen wir auf den Motorrädern, ab Mesa Verde wandelt sich die Bergwelt sehr schnell in Wüste. Besonders heiß ist es nicht, nur windig und einsam. Wir besuchen das Four Corner Monument, dort stoßen vier Bundesstaaten aneinander: Colorado, Arizona, New Mexico und Utah. Es gehört zu einem Reservat und kostet Eintritt. Danach landen wir in Bluff in der Recapture Lode. Teurer als 50 Dollar, dennoch sehr empfehlenswert. Es gibt einen kleinen Pool, der gerade für die Saison befüllt wurde, genau das richtige nach einem staubigen Tag auf dem Motorrad. Nicht so überzeugen dagegen das  Cottonwood Steakhouse. Mein Cowboy Steak für 28 Dollar ist weder richtig dick noch gut gebraten, Und das falsche Bier bringt die Bedienung auch noch. Na ja.

Utah, der nächste Staat auf unserer Reise

22. März 2018

Schon drei Tage nichts geschrieben, das lag aber nicht an mangelnder Schreibbereitschaft, sondern daran, dass wir die letzten beiden Nächte fernab von WLAN und Mobilnetz verbrachten.

Nach der sehr angenehmen Nacht im Recapture Motel in Bluff sind wir erst spät wieder auf den Motorrädern, dennoch aber schnell im Monument Valley. Doris war noch nie hier, ich erst einmal. Die Sonne scheint, es ist heiß, und doch ist das Valley einfach überwältigend – die Weite, der Himmel über den roten Steinen, die Stille trotz der vielen Touristen, die hier durchfahren, das ist schlicht grandios.

Monument Valley

Wir verbringen einige Zeit mit Actioncam-Filmen (zum ersten Mal auf der Reise, bisher waren wir immer zu faul) und fahren dann weiter nach Kayenta, weil wir Hunger haben.

In Wahrheit ist es an diesem Fotospot nicht so einsam, wie es hier aussieht

Die Fahrt nach Page am Lake Powell dauert den Rest des Nachmittags. Wüste, Wind, viel Verkehr, es gibt Schöneres. Abends in Page sind die meisten Motels ausgebucht oder sehr teuer,  der erste Campingplatz am See ebenfalls. Also landen wir am Lone Rock Camping, an genau der selben Stelle, wo ich im Februar vor eineinhalb Jahren mit Land Rover war und Campingfotos gefaked habe. Damals haben wir im noblen Amangiri-Ressort übernachtet. Jetzt schlagen wir das Zelt windgeschützt hinter einem Busch auf. Den Weg runter zum See, wo es offenbar eine kleine Wohnmobil-Stadt gibt sparen wir uns mit den Harleys.

Am Lone Rock, die Harleys müssen durch den tiefen Sand

Sonnenaufgang am Lone Rock mit Land Rover im Februar 2017

Immerhin schaffen wir es am nächsten Morgen heil durch den Sand wieder auf den Asphalt. Grand Canyon North Rim ist heute unser Ziel, nicht weit, und die Strecke entlang der Vermillion Cliffs ist wunderschön.

Navajo-Bridge und Vermillion Cliffs

Wir überqueren den Colorado River auf der Navajo Bridge, treffen dort an der Tankstelle ein US-Paar auf Motorrädern, die offenbar nur auf Trails unterwegs sind, BMW F800 und G650 mit seht grobstolligen Reifen. Die Frau ist so klein, dass sie selbst bei der nicht gerade großen G650 nicht auf den Boden kommt, sie trägt Plateau-Stiefel zu dem Zweck, sieht sehr lustig aus. Sie erzählen, dass sie nur abseits des Asphalts fahren, nur wenn es sein muss, nehmen sie die Straße. Kann man ja machen.

Am frühen Abend sind wir am  North Rim, der Grand Canyon ist immer wieder überwältgend, auch wenn man hier viel weniger davon sieht als am Südrand.

Ein kurzer Blick in den Grand Canyon

Dafür sind alle Unterkünfte ausgebucht, selbst der Campingplatz am 40 Meilen entfernten Jacob Lake. Wir überlegen schon, 30 Meilen weiter nach Kanab zu fahren, da gibt uns der Campingplatzwart einen Tipp: Nebenan auf der Group Area sei ein Bikerclub, die könnten wir ja fragen, ob wir da zelten dürften. Ansonsten kann man hier überall im National Forest im Wald sozusagen wild campen, wenn man will, sagt er.

„Er öffnet still die Dose Rindfleisch, die nach Steppengräsern schmeckt…“

Ich fahre zu der Group Area, der Bikerclub sind fünf Harleyfahrer aus Salt Lake City. Der Präsi Bill bietet uns einen Platz in ihrer Mitte an, bevor ich überhaupt danach fragen kann.

Unsere Bikerfreunde aus Salt Lake City

Also zelten wir neben ihnen, kochen Chili und Reis auf dem Campingkocher, während sie ein paar 100 Meter zur Tankstelle mit Restaurant essen gehen.

Den nächsten Tag verbummeln wir wieder ein wenig, In Kanab in der Stadtbücherei erledigen wir Papierkram für den Export der Motorräder, kopieren, scannen etc. Geht alles prima, kostet 90 Cent.

Davor frühstücken wir in einem netten Café Riesenportionen Chorizo mit Eiern und Tortillas. Unterwegs biegen wir zu den Coral Sand Dunes ab. Kommen an einem Ford Focus vorbei, der sich neben der Straße im Sand festgefahren hat. Eine deutsche Touristin, die ein Foto machen wollte. Sie ist allein unterwegs, drei Monate, und  ebenfalls in Pennsylvania gestartet. Eine Jeep-Besatzung war schon dabei, ihr zu helfen, dann kommen noch zwei mit einem ATV. Die haben sogar ein Seil dabei, doch der Focus hinten keinen Haken. Also schieben wir den Eimer raus. Ich setze mich ans Steuer, natürlich sind die Räder voll eingeschlagen, ich lenke geradeaus, gebe vorsichtig Gas, während die anderen schieben. Nach zehn Sekunden ist der Ford wieder auf dem Asphalt.

Typischer Anfängerfehler, wenn man sich festgefahren hat: Die meisten legen den Rückwärtsgang ein, geben volle Kanne Gas und drehen wie wild am Lenkrad, weil sie heraus lenken wollen. Damit machen sie es dem Auto nicht leichter. Also immer Räder gerade halten und versuchen, in der Spur herauszufahren, in der man reingefahren ist.

Durch die Dunes können wir mit den Harleys nicht, ich war ja schon mal mit einem Land Rover Discovery hier… Danach fahren wir langsam Richtung Zion’s Canyon. Da waren wir 1996 auch schon. Doch so überlaufen haben wir es nicht in Erinnerung. Dazu ist das Wetter eher bedeckt und trüb, schön ist der Canyon natürlich dennoch.

Zion’s Canyon

Ein paar Meilen über die Interstate nach Norden, dann sind wir in Cedar City, Motel, Dusche, Abendessen aus dem Supermarkt in der Mikrowelle und Wäsche waschen in der Laundry, Alltag.

25. Mai 2018

Schon wieder sind drei Tage vorbei, Wahnsinn, wie schnell das jetzt geht. Vor allem seit heute haben wir so richtig das Gefühl, dass es nun nur noch der Weg nach Hause ist. Doch der Reihe nach.

Cedar City hat nicht viel zu bieten, außer zwei Ausfahrten an der Interstate 15, ein paar Motels, Läden, Fast Food-Buden. Und das ist gut so. Wir beschließen spontan, hier einen (den ersten) Ruhetag einzulegen. Abends holen uns abends was zu essen aus dem Supermarkt, eine nette Abwechslung zum Restaurant-Essen. Und planen die nächsten Tage. Ein Ruhetag ist drin, also verlängern wir im Super 8 um eine Nacht. Bisher sind wir gar nicht auf die Idee gekommen, mal einen Tag Pause einzulegen. Doch wir haben ihn gebraucht, ich merke es, daran, wie sehr wir es genießen, in Cedar City fast gar nichts zu machen.

Stiefel shoppen, nach etwa 20 probierten Paaren im Farm Store sind es diese

Wir verbringen den Tag mit Stiefel-Shoppen beim lokalen Ranch-Ausrüster, Burger- und Quesadila-Essen bei Chili’s und ein paar weiteren Einkäufen. Doris kauft bei Walmart ein paar Feilen. Mit einer davon bearbeitet sie das Bajonett des abgestürzten Objektivs so lange, bis es wieder an die Kamera passt. Allerdings fokusiert es nicht mehr sauber, unrettbar kaputt also.

Wir haben nicht nur Zeit für einen Ruhetag, sondern für einen Umweg durch den Bryce Canyon. Da waren wir zwar bereits 1996, aber das ja nun auch etwas her.

Aus Cedar City sind es nur rund 80 Meilen, ein entspannter Fahrtag mit kühlem, doch meist sonnigem Wetter. Am Canyon finden wir sogar noch einen Zeltplatz für die nächste Nacht, wir wandern etwas am Canyonrand entlang und abends braten wir Würste und backen Kartoffeln am Lagerfeuer, ein richtiger Urlaubstag. Später zu Hause sehen wir in Doris‘ Reisetagebuch unserer ersten US-Reise im September 1996, dass wir auch am Sunset Camping zelteten.

Abendstimmung am Bryce Canyon

Weil am nächsten Wochenende Memorial Day Weekend ist, der traditionelle Start der Sommersaison in USA, haben wir, entgegen unserer Gewohnheit, die nächsten drei Nächte vorgebucht. Das Ziel für heute: Baker, Nevada. Dort kommen wir wieder auf die US 50, die wir ja in Colorado verlassen haben, weil uns der Weg am Grand Canyon vorbei interessanter erschien.

On the Road in Western Utah

Und ich war schon einmal da, als ich mit Hardy die Geschichte über die Loneliest Road in America produzierte. 180 Meilen vom Bryce Canyon, wir schaffen sie schneller als gedacht, fahren über Nebenstrecken aus den Bergen durch die weiten Täler des westlichen Utah. Es ist sehr einsam, kaum Autos unterwegs und schon gar keine Motorräder.

Wir sind schon am Nachmittag in Baker, finden das Stargazer Motel, eine sehr skurrile Bude. Direkt neben dem Motel ist ein Restaurant, das sich Kerouac’s nennt (wohl  nach dem Schriftsteller). Dort gibt es die beste Pizza, die ich bisher in den USA gegessen habe. Ganz ernsthaft. Und ich frage nach Rachel und Kevin, mit denen ich vor einhalb Jahren an ihrer Kaffeebude auf dem Parkplatz in Baker sprach.

Stargazer Inn in Baker: Empfehlenswert

Die haben sie verkauft, sagt die Frau im Restaurant, aber wenn du mit Rachel sprechen willst, sie arbeitet in der Bar gegenüber. Also gehen wir über die Straße in das andere Restaurant des Ortes. Dort steht Rachel hinter der Theke und erinnert sich fast sofort, dass ich das mit dem silbernen Elektro-BMW vor eineinhalb Jahren war.

Später verwickeln uns die Besitzer des Ladens, zwei pensionierte Manager aus der Industrie, die hier ihren Lebensabend verbringen, in Gespräche. Das heißt, sie erzählen Geschichte vom Klimawandel über Schneeschippen, überflutete Bäche mit ertrunkenen Kühen bis zu den Glaskunstwerken lokaler Künstler (sie selbst). Ein interessanter Abend in Nevada, ein paar Meilen östlich von hier ist die Grenze zu Utah. Und hier beginnt jener Abschnitt des US 50, der Loneliest Road in America genannt wird. Doch davon mehr morgen.

Wir sind wieder an der US 50

P.S.: Und da das WiFi im Stargazer Motel dauernd abstürzt, gibt es die Bilder dazu vielleicht erst morgen…

27. Mai

Rachel und Kevin haben zwar die Kaffeebude verkauft, doch ausgerechnet heute soll sie wieder eröffnet werden. Da es im Stargazer Inn ohnehin kein Früstück gibt, schlurfen wir morgens über die Straße und bestellen zwei Milchkaffee bei der neuen Besitzerin. Die ist eher wortkarg, der Kaffee jedoch gut.

Die Kaffeebude in Baker: Ebenfalls empfehlenswert

The Loneliest Road liegt vor uns, ein paar hundert Meilen Wüste bis Fallon, drei kleine Orte liegen dazwischen: Ely, Eureka und Austin. Sonst nichts. Wirklich nichts. Als wir losfahren scheint zwar noch die Sonne auf die schneebedeckten Berge im Great Basin National Park, doch es ist sehr windig.

Gestrandet in Baker: VW Käfer

Das macht vor allem Doris zu schaffen, sie kämpft gegen den Wind, befürchtet von der Straße gepustet zu werden. Das ist natürlich anstrengend, die nötige Lockerheit kommt bestimmt mit der Zeit.

„Living on the road my freind, is gonna keep you free and clean…“

Wir frühstücken bei Denny’s in Ely im Hotel Nevada, der Speisesaal ist von Slot Machines belagert und es riecht nach Zigarettenrauch, in Nevada darf man in Kasinos rauchen, sehr ungewohnt.

Draußen auf dem Parkplatz sehe ich ihn zum ersten Mal: einen 1930er Lincoln mit Michigan-Nummernschildern, sehr cool. Später in Eureka sehen wir den Lincoln wieder, der Fahrer winkt uns begeistert zu.

Hotel Nevada in Eureka

Später kommen wir ins Gespräch. Im Lincoln reisen Bart und Ellen aus Michigan. Sie sind in ähnlicher Mission unterwegs, fahren den Lincoln Highway von Küste zu Küste mit der fast 90 Jahre alten Limousine. Wir trinken zusammen Kaffee, da erzählt Bart, dass er Mitglied der Lincoln Highway Society ist, die sich um diese historische Straße bemüht.

Bart und Ellen sind in ähnlicher Mission unterwegs

Der Lincoln Highway führt von New York nach San Francsico, war ab 1913 die erste Straßenverbindung von Küste zu Küste und teilt sich in Utah und Nevada die Trasse mit der US 50. Die beiden sind fasziniert davon, dass wir ähnliches wie sie mit Motorrädern unternehmen. Dass der US 50 ebenfalls von Küste zu Küste führt, wußte Bart gar nicht, er ist sehr erstaunt, das von einem Ausländer zu erfahren.

Den Lincoln hat er extra für diese Tour gekauft. Als er er 66 wurde, erzählt er, hat er einen 66er Ford Mustang gekauft und ist die Route 66 abgefahren. Da fällt Doris ein, dass wir beide zusammen 100 sind und wir nun den Highway 50 fahren.

Abends in Austin sehen wir den Lincoln nochmal, dann trennen sich unserer Wege. Wir übernachten im Cozy Mountain Motel, vorgebucht zum Glück, es ist alles ausgebucht.

Zum Essen sollten wir keinesfalls ins International Cafe gehen, sagt die Motel-Frau. Vor eineinhalb Jahren hat mich Hardy noch mit dem i3 vor dem Café fotografiert, samt Trump-Pence-Wahlwerbung.

Das Café hat in der Tat einen zweifelhaften Ruf, wie man im Internet nachlesen kann. Wir essen Pizza im anderen Restaurant von Austin, die ist ziemlich gut, das Publikum in dem Laden durchaus interessant.

„his horse as fast as polished steel…“

Am nächsten Tag ist es nicht mehr so windig, dafür recht kühl. Wir ziehen möglichst viele Klamotten an, der Fahrtwind pustet dennoch durch. Wir fahren schnell über die gar nicht mal so einsame Straße, stoppen zum Frühstücken in Cold Springs, einer ehemaligen Pony Express Station. Der US 50 folgt in Nevada ziemlich genau dem Pony Express Trail, einer Reiterstaffel-Route, die nur 1866 und 1867 existierte und in zehn Tagen Post vom Missouri nach Sacramento transportierte.

Cold Springs am Pony Express Trail

Dafür suchte die Firma junge, möglichst leichte Reiter, die 25 Dollar in der Woche verdienten und sich dafür auf die gefährliche Reise begaben. William „Buffalo Bill“ Cody war übrigens einer der Reiter. Als die erste Telegrafenlinie die Westküste erreichte, war der Pony Express natürlich überflüssig.

Der Pony Express Trail begleitet uns bis westlich von Fallon. Dort biegen wir von der Route ab, fahren nach Süden Richtung Las Vegas zum Topaz Lake. Denn zum einen erscheint uns der Weg nach Kalifornien über den Yosemite attraktiver als jener entlang des Lake Tahoe und zum anderen finden wir ein Motel zu akzetablem Preis hier. Das Wetter ist übrigens immer noch kühl, doch die Regenwolken umkurven uns bislang.

Abends finden wir eine kleine Bikerbar, sehr rustikal, aber mit ausgezeichneten Burgern und Tacos und gutem Bier, sie heißt Iggy & Squiggy’s, falls jemand mal hier vorbeikommen sollte.

29. Mai 2018

Angekommen? Okay, die US 50 sind wir nicht bis zum Ende durchgefahren. Aber 4500 Meilen von Küste zu Küste. Die letzte Etappe, gestern von Topaz Lake über den Tioga Pass war vielleicht etwas zu lang. Wir kommen kurz nach 20 Uhr bei Susanne und Josh in Menlo Park an, es ist sonnig und heiß hier ein paar Meilen südlich von San Francisco.

„Gonna make it state by state, till I hit the Golden Gate, get my feet wet in the ocean…“

Das war östlich der Sierra Nevada noch ganz anders. Wir fahren in Topaz Lake bei sonnigen, aber kaltem Wetter los. Kurz vor dem Abbiegen zum Tioga Pass an einer Tankstelle treffen wir zwei weitere Motorradreisende, beide aus Kalifornien und unterwegs in die Mojave-Wüste. Der eine ist ein älterer Herr mit einer BMW K 1200 LT, der andere ein echter Biker mit einer Dyna Wide Glide, die einen noch lauteren Auspuff hat als meine.

Der Tioga Pass windet sich über 3000 Meter hoch durch die Sierra Nevada

Beide warnen uns, sie seien tagelang im Regen gefahren und durchgefroren, Zeit wieder in die Wüste zu kommen. Wir fahren am Mono Lake vorbei und biegen zum Tioga Pass ab. Mit jedem Höhenmeter wird es frostiger, die Regenwolken bedrohlicher, aber wahrscheinlich würde es ohnehin schneien, so kalt scheint es uns.

Der Stausee kurz vor der Passhöhe ist noch halb zugefroren. Am Eingang zum Yosemite hat sich schon eine Autoschlange gebildet, Memorial Day-Weekend. Einmal mehr macht sich unter Annual Pass bezahlt. Kleiner Tipp für US-Reisende: Es gibt einen Jahrespass für National Parks, kostet lächerliche 80 Dollar, online oder an jedem Park zu kaufen. Damit kommt man ein Jahr lang in alle National Parks und National Monuments, also auch Anlagen wie eine historische Ranch in Montana oder Bend’s Old Fort in Kansas. Lohnt sich bereits, wenn man drei oder vier Nationalparks besucht. Und er gilt immer für die komplette Autobesatzung (oder zwei Motorräder).

Schnee und Eis kurz vor der Passhöhe

Ein Ranger geht an der Schlange entlang, fragt nach dem Annual Pass, diejenige, die einen haben dürfen an der Schlange vorbei direkt in den Park fahren, super.  Wir halten uns nicht lang im Park auf, fahren die Passstraße runter, halten für ein paar Fotos, machen Pause an der Tankstelle.

Bergab in Yosemite

Dort treffen wir wieder Motorradfahrer, diesmal ein Paar aus der Nähe von Monterey, sie mit einer BMW K 1600 GTL, nicht so das typische Frauen-Motorrad, er mit einer BMW R 1200 RT. Sie scannt unsere Nummernschilder als wir parken und nuckelt an ihrer Elektro-Zigarette. Und fragt wenig später, ob wir tatsächlich aus Pennsylvania mit den Motorräder gekommen seien.

Wir plaudern ein Weilchen, sie erzählen, dass sie zuhause auch Harleys haben, diesmal aber mit den BMWs unterwegs seien. Und dass er auch noch eine Ducati Diavel hat, seit sie auf einer Italienreise das Werk in Bologna besuchten.

Uns läuft ein wenig die Zeit weg, wir wollen abends in Menlo Park sein. Nun wird es mit jedem Höhenmeter zum Meer hin sonniger und wärmer, wir halten für Burger, kaufen Kirschen und tanken in Oakdale.

Ein letztes Mal tanken in Redwood City

Diesmal kommen zwei ältere Biker mit Bauch, Tattoos und Zopf vorbei, auf Street Glide und Road Glide mit Xenonlicht, eingebautem Navi und Rückenlehne. Immer die gleiche Frage: Pennsylvania, really? Beide sind begeistert, dass jemand sowas macht, sagen beinahe entschuldigend, dass sie nur aus San Jose seien und eine kleine Wochenendtour machen.

Sie schütteln uns zum Abschied die Hände und der mit dem längeren Zopf sagt zum Abschied: you are a inspiration to us. Leider vergessen wir, die beiden zu fotografieren.

Die letzten Meilen nach Silicon Valley werden lang und mühsam, wir brettern über die Interstate in den Sonnenuntergang. Das ist nicht schön, wie es möglicherweise klingt, die Sonne blendet und im Gegenlicht sind die Linien und Unebenheiten kaum zu erkennen.

Dann biegen wir ab auf die Dumbarton Bridge über das südliche Ende der San Francisco Bay. Auf einmal riecht man ihn, bevor er zu sehen ist: der Ozean. Wir donnern über die Brücke, dann noch zwei Mal abbiegen, und wir sind angekommen.

Zwar fahren wir am nächsten Tag zur Golden Gate Bridge, gehen in Sausalito mit den Füßen in den Pazifik, 22 Tage nachdem mir das gleiche in Ocean City gemacht haben, 22  Tage und 4500 Meilen später. Doch der Moment, in dem für mich die Reise zu Ende ist, ist jener kurz vor der Brücke, als ich die Bay rieche.

„I’m runnin‘, I’m runnin‘ down the proud highway and as long as I keep movin‘ I won’t need a place to stay…“

Die beiden Harleys haben gehalten, die Sportster benötigte eine neue Batterie, an meiner sifft der rechte Gabelsimmering und ich mußte im Lauf der Tour ein Quart Öl nachkippen. Nun stehen sie eingedreckt und von Packtaschen und Reisegepäck befreit vor der Garage, morgen bringen wir sie zur Spedition. Und die ist anders als gedacht nicht in Oakland, sondern in Fremont – viel näher, auf der anderen Seite der Bay.

Dann haben wir noch eineinhalb Tage für Halfmoon Bay, Ozean, shoppen, die Füße hochlegen. Und vielleicht zum Lunch in den Googleplex. Mal sehen.

2. Juni 2018

Jetzt sind wir schon über 24 Stunden wieder zuhause. Seltsam. Und Zeit für ein erstes Fazit. Denn so richtig durchgesackt ist das noch nicht. Wir haben es tatsächlich gemacht. Bis zum Abflug konnte ich es mir nicht so richtig vorstellen, dass ich bald auf einer alten Harley sitzen  und vom Atlantik aus westwärts durch die USA fahren werde.

Einer der ersten Eindrücke danach: So schwierig wie befürchtet war es dann doch nicht. Überraschend einfach unter anderem war die gesamte  Abwicklung mit den Motorrädern, vom Kauf über Zulassung bis zu Verschiffung. Nun ja angekommen sind sie noch nicht, aber sie werden dieser Tage auf die MSC Antalya verladen, die bereits in Oakland im Hafen liegt, wie man per Schiffstracker verfolgen kann.

Abschiednehmen vor der Garage: Gleich bringen wir die Motorräder nach Fremont zum Verschiffen

Bewährt hat sich ebenso die Zulassung per Temporary In-Transit-Registration, also per Kurzzeit-Zulassung. Keine Sau hat sich für unsere Papp-Nummernschilder interessiert, auch ab und zu hinter uns her fahrende Polizeiautos vom Dorf-Sheriff bis zur California Highway Patrol nicht. Anders als bei einer regulären Zulassung entfällt übrigens die Sales Tax, je nach Staat also bis rund zehn Prozent. Schwieriger ist dagegen das FInden einer Versicherung, wenn man keinen US-Führerschein vorweisen kann. Aber auch das geht letztlich, z.B. mit Fernet aus Florida. Hat super geklappt, und wenn jemand mal was Ähnliches machen will, gebe ich gern die Nummer unserer sehr hilfsbereiten Sachbearbeiterin weiter.

Das gilt auch für die Spedition CFR Rinckens. Die Abgabe der Motorräder dauerte kaum mehr als fünf Minuten, einen Tag später erhielten wir die Zustandsberichte mit Fotos aller Kratzer etc. die bei der Anlieferung bereits an den Motorrädern waren. Peinlicher Hinweis: Bei beiden steht dabei „Vehicle dirty“.  Dabei hatten wir noch überlegt, die Motorräder zu reinigen, sind dann aber doch nicht mehr dazu gekommen.

Sehr zufrieden bin ich nachträglich mit der Wahl der Route entlang der US 50, und auch damit, dass wir ihr nicht immer durchgehend gefolgt sind. Womöglich wäre es schöner gewesen, statt über den Tioga Pass und Yosemite tatsächlich über Lake Tahoe und Sacramento zu fahren, wo die US 50 in die Interstate 80 übergeht. Doch die Abweichungen von der Originalroute waren alle sehr gut: die südliche Umfahrung von Kansas City, der Umweg zu Johannes nach Bloomington, der Million Dollar Highway und erst Recht der Weg durchs Monument Valley, entlang der Vermillion Cliffs zum Grand Canyon und danach durch Zion’s und Bryce Canyon.

„Somewhere on a desert highway, she rides a Harley-Davidson…“

Etwas enttäuschend fand ich diesmal die Loneliest Road, womöglich, weil ich sie bereits kannte, das Wetter nicht so schön war, doch vor allem, weil sie alles andere als einsam ist. Und im Frühling wirkt sie auch gar nicht so wüstenhaft und verlassen wie im Oktober, sondern eher grün, kühl und windig.

Trinken und Navajo-Souvenir-Krimskrams angucken, irgendwo in Arizona

Die US 50 ist dennoch eine fast unschlagbare Route durch die USA. Wir waren in New York, New Jersey, Pennsylvania, Delaware, Maryland, DC, Virginia, West Virginia, Ohio, Indiana, Illinois, Missouri, Kansas, Colorado, Utah, Arizona, New Mexico, Nevada und Kalifornien. Sind über die Chesapeake-Halbinsel, durch Amish-Gegenden, am Weißen Haus vorbei, durch die Milliardärs-Dörfer in Virgina, die verarmten Kohleregionen in West Virgina, über Appalachen-Pässe,  den Ohio River, den Mississippi, den Missouri und den Arkansas River gefahren, quer durch die Mais- und Weizen-Gegenden in Indiana und Illinois, über die Ölfelder und Rinderzüchter-Plains in Kansas und Colorado, danach über die Rocky Mountains ins Great Basin, schließlich über die Sierra Nevada nach Kalifornien bis ins Silicon Valley gefahren. Dabei sind wir nicht nur der US 50 gefolgt, sondern auch streckenweise dem Lincoln Highway, der Route 66, dem Lewis&Clark-Trail, dem Santa Fe-Trail, dem Pony Express und dem Camino Real gefolgt, lauter historische Verbindungswege durch dieses große Land. Ein Panorama der USA, das es so auf kaum einer anderen Route gibt.

Kleine Abweichung von der Route: Entlang des Highway 100 durch Missouri

Bemerkenswert dabei: Wir haben fast nur nette Menschen getroffen, die Motorradfahrer sowieso. Und je weiter westlich wir kamen, desto auffälliger waren wir mit unseren Pennsylvania-Nummernschilder. Wie cool und wie mutig das sei, fanden sehr viele. Und nicht wenige sagten, sie würden sowas ebenfalls gern machen, wenn sie Zeit und/oder Geld dafür hätten. Neid? Vielleicht. Missgunst? Sicher nicht. Vielleicht ist das ein weiterer kleiner Unterschied zu Deutschland.

Den Bikergruß gibt’s auch in USA, selbst zwischen KTM Adventure und Harley Low Rider, wie hier in Utah. Das Recapture war übrigens eines der nettesten Motels auf der Reise

Eine weitere, vielleicht zufällige Beobachtung: Wir treffen bemerkenswert wenig Deutsche unterwegs. Selbst in den Nationalparks scheinen, anders als bei unseren anderen US-Reisen, kaum deutsche Touristen unterwegs zu sein. Italienisch, ungarisch, sogar finnisch und tschechisch höre ist, jedenfalls auffallend viel französisch. Und auffallend wenig deutsch. Das war auf früheren US-Reisen anders, so mein subjektiver Eindruck.

Die letzten zwei Tage vor dem Abflug verbringen wir bei Susanne und Josh in Menlo Park, mitten in Silicon Valley – ein perfekter Abschluss für die Fahrt. Am ersten Abend haben sie siebenbürgisch gekocht, und dabei fällt mir ein, dass alle Leute, die wir in USA besucht haben, Bekannte oder Verwandte aus Siebenbürgen sind: meine Nichte, der Cousin von Doris und nun Susanne, bei der zufällig ihre Schwester Uli zu Besuch ist, die ich aus der Schule in Schäßburg kenne. Und das ist über 40 Jahre her.

Am letzten vollen Tag in der Bay Area dann noch der obligatorische Einkaufstrip, diesmal zur Milpitas Mall, in der vor allem Doris zuschlägt. Der Uniqlo-Laden hat es ihr schon sehr angetan. Davor holen wir uns einen Mietwagen. Ein Nissan Sentra soll es sein, sagt der Mann am Schalter. Puh.

Als ich frage, ob er nichts interessanteres anzubieten hat, sagt sein Kollege, sie hätten doch diesen Dodge Charger rumstehen. 16 Dollar Aufpreis pro Tag ist es mir wert, die letzten Urlaubstage nicht in einem Sentra herumfahren zu müssen. Hemi-V8 mit 477 PS, wer kann da schon widerstehen? Ich jedenfalls nicht.

Dodge Charger Hemi R/T von Avis, ein preiswertes Vergnügen

Der Dodge ist ein Super-Auto, und er fährt überraschend gut und komfortabel, hat viel Platz und einen großen Kofferraum. Mit den Harleys waren wir noch die Langsamen auf der 101, jetzt nicht mehr. Der Dodge mit einem Gasstoß aus der Auffahrt auf 80 mph und ganz links auf der Commuter Lane, der Fahrspur für Autos mit mehr als einem Insassen.

Das Abgeben der Motorräder, die erfolglose Suche nach einem Ersatzobjektiv und die Einkauferei nehmen dann doch den ganzen Tag in Anspruch. Abends sind wir todmüde, Susanne und Uli haben uns auf dem Trip begleitet und auch noch das ein oder andere in Milpitas gekauft. Ich war ja bescheiden: nur eine Levis-Sommerjeans und ein passender Gürtel dazu.

Am nächsten Tag nimmt uns Josh, der bei Google in Mountain View arbeitet, mit in die Google-Kantine. Dort können alle Mitarbeiter kostenlos essen, 24 Stunden am Tag und auch ab und zu Gäste mitbringen. In diesem Fall uns beide. Es gibt von der Salatbar bis zum Burgerstand alles, was man sich nur denken kann. Interessanter jedoch die Mitarbeiter: kaum jemand scheint älter als 30 zu sein, Weiße (Kaukasier, wie das in USA heißt) in der absoluten Unterzahl, sehr viele Asiaten und Inder, einige Deutsche hören wir sprechen, doch auch Russen und Italiener. Entsprechend auch das Speiseangebot: Es gibt viel Asiatisches und Indisches. Und alles, was wir ausprobieren, schmeckt wirklich sehr gut. Einschließlich des Cappuccino aus der Espressobar. Die Motorpresse-Kantine in Stuttgart kann da nicht so ganz mithalten.

Zum Lunch bei Google

Ein kurzer Trip zur Halfmoon Bay ist nach dem Lunch noch drin, bevor wir zum Flughafen müssen. Wir fahren noch über den Campus der Stanford-Uni, dann über die Berge zur Bay. Doris geht noch mal mit den Füßen in den Ozean, es ist eher kühl und windig. Ja, und das war’s dann. 4500 Meilen durch die USA, auf bereits etwas älteren Motorrädern.

Nichts ist kaputt gegangen, es gab den ein oder anderen Schreckmoment, doch wir sind heil geblieben. Das Regenzeug haben wir kein einziges Mal benötigt. Etwas zu heiß war es manchmal, etwas zu kalt ebenfalls. Die Motorräder überraschend bequem und eigentlich recht sparsam. Vielleicht rechne ich den Verbrauch noch aus, aber geschätzt haben wir alle 200 km rund 20 Liter getankt. In die Sportster passte immer rund eine halbe Galone weniger rein.

Auch die kleine Sportster hat gut durchgehalten: 4500 Meilen in gut drei Wochen

Dazu hat die Dyna eine Viertel Galone Öl verbraucht, die Sportster benötigte eine Batterie, Kleinkram. Mal schauen, was nun alles für die Zulassung umgebaut werden muss. Und ob Doris die Sportster behalten will. Ich weiß ja auch noch nicht, was ich mit meiner Dyna Low Rider machen werde. Eigentlich wollte ich ja eine Dyna, weil ich die Baureihe mag und weil sie 2017 aus dem Programm gestrichen wurde. Vielleicht behalte ich sie, bis ich sie durch eine andere Harley ersetze: eine 2008er Road King in Anniversary-Lackierung. Die wäre dann etwas für den nächsten Trip: vielleicht von New York aus nach Süden, Appalachen-Trail. Oder aus San Francisco nach Sturgis und dann aus Kanada nachhause. Oder….

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