Motorradreisen und Dies und Das

Autor: Heinrich (Seite 2 von 3)

Tag zwölf bis 14: Kansas City, here we come

Nun sind wir tatsächlich schon seit zwei Wochen unterwegs, davon eine Woche auf den Motorrädern. Und sind kurz vor Kansas City. Noch ein paar 100 Meilen, dann kommen wir in Kinsley, Kansas an jenem Schild vorbei, auf dem steht, dass hier die Hälfte der Strecke zwischen New York und San Francisco ist.

Wir haben es geschafft: westlich des Mississippi am Gateway Arch

Aus Bloomington haben wir uns am Donnerstag verabschiedet. Doris‘ Cousin wohnt mit seiner Familie in einem wunderschönen alten Haus, und es fällt uns ein wenig schwer, wieder auf die Motorräder zu steigen und weiterzureisen.

Wir fahren am Nachmittag noch so um die 100 Meilen, übernachten auf einem Campingplatz. Am nächsten Tag St. Louis, der Mississippi und der Gateway Arch, wir sind in Missouri.

 

There’s a road strechted out between us like a ribbon on the high plains..

Es ist heiß, viel Verkehr, wir schwitzen in den Motorradklamotten, fahren noch weiter bis Eureka, nehmen ein Motelzimmer, Super 8. Hier teilen sich die US 50 und die Route 66 für ein paar Meilen die Routenführung, dann biegt die Route 66 nach Süden Richtung Oklahoma ab.

Einfache Täfelchen markieren hier den Verlauf der alten Route, sonst weist nichts darauf. Direkt daneben verläuft die Interstate. Und das erste Auto, das uns auf der alten Strecke entgegen kommt, ist ein roter Lamborghini Countach.

Wir fahren am Missouri entlang nach Westen, verlassen für einige Zeit die US 50, weil die Straße am Fluß schöner sein soll. Ist sie auch.

Selfie am verlassen Motel an der Route 66

Der Highway 100 heißt hier Lewis&Clark-Trail, weil er dem Weg nach Westen der Expedition von 1804 folgt, die dann später in Oregon den Pazifik erreichte.

Wir kommen an alten Städten wie New Haven und Hermann vorbei, trinken Kaffee und essen zwischendurch was. Gegen Abend verpassen wir die Abfahrt zu einem State Park, landen schließlich wieder in einem Motel 8, billiger und sauberer als das in Eureka. Und nun Kansas City.

Tag zehn und elf: Weiter westwärts

Nun sind wir schon fast 1000 Meilen von der Küste entfernt, zwei Tage auf der US 50, an denen wir nach meiner Meinung zu wenig, nach ihrer Meinung eher etwas zu viel gefahren sind. Wir sind bei Doris‘ Cousin in Bloomington, Indiana, wo wir auf eine UPS-Lieferung warten. Doris hat nämlich nicht nur ihren Helm, sondern auch ihren Führerschein zuhause vergessen hat. Bisher hat der Ausdruck eines Fotos des Führerscheins gereicht, aber wahrscheinlich ist es besser, das Original dabeizuhaben, wenn man unterwegs von Buford T. Justice angehalten wird.

Einen neuen Helm hat Doris bereits in Philadelphia gekauft, da gab es bei einem Motorradhändler einen wunderschönen Bell-Helm im Sonderangebot, schwarz mit Retro-Streifen-Design. Ich bin etwas neidisch, habe nur aus zwei Gründen nicht ebenfalls einen gekauft: Ich finde Helme im Partnerlook bei anderen Bikern immer etwas albern. Und ich möchte nicht mit zwei Helmen durch die Gegend reisen.

Der neue Bell-Helm im Streifendesign

Ich habe mir dafür direkt am Anfang der Reise in Media ein Paar Cowboy-Arbeitsstiefel im Westernlook gekauft und meine mitgebrachten ausgelatschten Boots im Motel weggeworfen.

Meine neuen Stiefel, bereits etwas patiniert von 1000 Meilen on the road

Ansonsten waren die beiden Tage nach unserer Übernachtung in der Lodge am Tygart Lake eher ereignisarm. Wir sind durch West Virginia, Ohio und Indiana gefahren, haben den Ohio River überquert und zwischendurch am Paint Creek-Stausee in Ohio gezeltet.

Neues Kaffeekochsystem mit Tütchen

Doris hat übrigens ein neues Camper-Kaffeekochsystem gekauft, kleine Filtertütchen, die man über die Tasse hängt, funktioniert leidlich.

Und wir haben Cincinnati auf der Interstate umfahren, ein Fehler. Die Interstates sind die gefährlichsten Straßen in USA, alle donnern mit 70 mph vor sich hin, die Lkw eher etwas schneller, und machen dabei alles andere, außer Autofahren. Mich übersieht tatsächlich ein Idiot in einem älteren Honda-SUV beim Spurwechsel, beginnt rüberzuziehen, obwohl ich praktisch neben seiner Fahrertür herfahre. Als ich hupe, sieht er mich an wie eine Kuh, wenn’s donnert und setzt seinen Spurwechsel fort.

Wir verlassen die Interstate schnell wieder und fahren über kleinere Wege nach Bloomington.

Es gibt natürlich auch schönere Begegnungen, so wie die mit Jerzy aus Polen. Er ist der erste Motorradreisende, den wir treffen, sitzt an einer Tankstelle im Schatten und raucht, was schon ein erster Hinweis daraus sein könnte, dass er kein Amerikaner ist. Außerdem fährt er eine Kawasaki KLR 650 und trägt Goretex-Klamotten. Und am rechten Alukoffer klebt ein Poland-Sticker.

Jerzy zeigt Doris Facebook-Fotos seiner früheren Reisen

Er spricht kaum Englisch, obwohl er seit zehn Jahren als Hausmeister in Chicago arbeitet und erzählt von seinen Erlebnissen in Alaska, Arizona und sonstwo. Uns fragt er nichts. Nach einer weiteren Marlboro Light steigt er auf seine KLR und fährt weiter nach Osten.

Oder das Treffen mit der alten Dame an der Tankstelle in West Virginia. Sie ist mindesten 80, tankt ihren 67er El Camino und freut sich, als ich sie auf das Auto anspreche. Dann schimpft sie über die Spritpreise, dass das alles Gauner seien, sie habe gerade drei Dollar für die Gallone bezahlt, nur damit die Share Holders ihre Taschen füllen. Aber die Reichen kämen ohnehin nicht in den Himmel, das stehe schon in der Schrift. Sagt es, wuchtet zwei Sprit-Kanister auf die Ladefläche des El Camino, startet den Smallblock-V8 und donnert davon.

 

Grandmas Buggy heißt der 67er El Camino, sagt die alte Dame, bevor sie über die Reichen aus der Ölindustrie schimpft

Kleiner Nachtrag: Während wir auf den UPS-Wagen warten, fahren wir kurz zum lokalen Harley-Laden um zwei Kleinigkeiten an den Motorrädern richten zu lassen. Bei meiner ist die Leerlaufdrehzahl zu hoch, bei der Sportster  der Schalthebel samt Fußraste etwas hochgebogen. Das richten zwei Mechaniker in wenigen Minuten, kostet nichts. Dazu schenken sie uns noch einen Harley-Touring Handbook mit einem Händlerverzeichnis. Wir kaufen dann noch ein kleines Toolkit, die Harleys haben ja Zollschrauben. Jetzt haben wir wenigstens etwas dabei, um lose Schrauben und ähnliches wieder anzuziehen.

Die Schrauber in Bloomington sind sehr nett und hilfsbereit, ein HOG Touring Handbook schenken sie uns obendrein

UPS wirft im Übrigen die Sendung einfach so vor die Tür, ohne zu klingeln oder nachzuschauen, ob jemand zuhause ist. Und das obwohl in fettem Rot Documents auf den Umschlag gestempelt wurde. Wie bei uns also. Jedenfalls hat Doris jetzt ihren Führerschein dabei.

Tag acht und neun

Meile 0 am Boardwalk in Ocean City

Seit Sonntag vormittag sind wir nun tatsächlich unterwegs auf dem Highway 50, bei allerdings sehr durchwachsenem Wetter. Schon beim Start in Ocean City ist es sehr trüb, die Fahrt über die Chesapeake-Halbinsel und die Bay Bridge ist grau, etwas kühl und eher langweilig. Immerhin regnet es nicht.

Doris fährt schon mal voraus, auf den nächsten 3073 Meilen werde ich sie schon einholen

Die Entscheidung, am Sonntag durch den Großraum Washington zu fahren, erweist sich als richtig, der Verkehr ist dünn, wir folgen dem Highway. Der führt direkt am Weißen Haus vorbei, wir halten nur kurz. Obwohl es immer noch eher kühl ist, beschließen wir, die erste Nacht im Zelt zu verbringen. Das Internet zeichnet einen Campingplatz in den Wäldern von Virginia aus, Mountain Lake Camp, klingt ja ganz gut.

Unser erster Zeltplatz in den Wäldern von Virginia

Der Platz ist eine sumpfige Wiese, wir sind die einzigen Zelter, am Eingang steht noch ein Wohnmobil aus Quebec. Die restlichen Bewohner sind Dauercamper, die gern ausrangierte Kühlschränke, Pick up-Wracks und weiteres Zeug um ihre Mobilhomes häufen. Die sanitären Anlagen entsprechen dem Standard eines rumänischen Campingpatzes der 80er.

Vielleicht hätte uns das Hinweisschild zum Campingplatz warnen sollen

Nun ja, wir sind müde und wollen nicht weiter, also bleiben wir. Eigentlich war die Fahrt von Washington bis her schon interessant. Der Highway 50 wird auf wenigen Meilen aus einer sechsspurigen Straße, die in die westlichen Suburbs in Virginia führt, zu einer ländlichen Straße. Sie schlängelt sich durch eine der wohlhabendsten Gegenden der USA mit riesigen Landhäuser, Gestüten, Weingütern und kleinen Dörfern. Sieht alles ein wenig wie in Südengland aus, sicher ein gewollter Effekt.

Eine halbe Stunde weiter im Westen wird es einsamer und erkennbar ärmlicher, der Wald dichter, die Straße wieder vierspurig.

Ach ja, die Nacht im Zelt. So gegen 23 Uhr lärmt unser Dauercamper-Nachbar mit seinem V8-Pickup auf den Platz, hält vor seiner Hütte, beginnt wie wild Holz zu hacken, das er auf die Ladefläche wirft. Nach einer Viertelstunde düst er wieder ab, kommt um halb 3 wieder. So ist das im ländlichen Virginia.

Wir verlassen den Platz gegen halb 10 und hoffen, dass unsere Motorräder jetzt wenigsten ihn wecken. Zumindest ich hoffe das.

Der zweite Tag auf der Straße ist etwas freundlicher, wettermäßig jedenfalls. Wir kurven durch West Virginia, es geht eher langsam voran. weil es bergiger wird.Der Highway ist nur zweispurig, windet sich durch die Allegheny Mountains. Wir durchqueren den südwestlichsten Zipfel Marylands, dann sind wir wieder in West Virginia. Hier ist der Frühling noch nicht so weit, die Bäume noch weitgehend ohne Grün. Das ändert sich etwas, sobald wir wieder in die Täler kurven.

Der Frühling kommt auch in West Virginia

Schließlich erreichen wir Grafton, wollen im Walmart Doris Nummernschild kopieren, damit sie nicht mehr mit dem albernen Karton hinten herumfährt. Das geht zwar bei Walmart nicht, doch die freundlichen Mitarbeiter verweisen uns an die örtliche Library. Dort verkleinert eine Mitarbeiterin das Schild, laminiert es ein, und alles für 1,50.  Wir montieren das neue Schild, der Karton kommt zu den Fahrzeugpapieren in den Rucksack.

Aus Ausgleich zur letzten Nacht gönnen wir uns die Trygart Lake Lodge, ein sehr schönes und preiswertes Motel im gleichnamigen State Park. Allerdings ist das Essen nicht ganz so brillant wie das Zimmer mit Seeblick.

Doris hat nun fast schon die ersten 1000 km auf ihre Sportster gefahren, sie macht das großartig, immerhin sind es ihre ersten 1000 Motorrad-Kilometer in freier Wildbahn.

Biker grüßen sich übrigens auch hier, es sind allerdings nur wenige, die auf dem Highway 50 unterwegs sind, gestern waren es insgesamt vier, zwei auf Harleys, die uns entgegen kamen und zwei mit R 1150 GS und Yamaha Fazer, die uns überholten.

Meist ist es ziemlcih einsam auf dem Highway 50

Über Eure Kommentare freuen wir uns übrigens sehr, sie erscheinen nur nicht sofort, weil ich sie erst freigeben muss.

Tag sieben: Endlich in Ocean City

Nun hat alles etwas länger gedauert als geplant. Aber wir sind nun in Ocean City. Hier beginnt der US Highway 50 und endet 3000 Meilen weiter westlich in Sacramento.

 

Kaffeepause bei Wawa, das ist eine Tankstelle mit angeschlossenem Kaffee-und Sandwichshop

Heute vormittag sind wir in Lancaster eher später als geplant losgefahren und haben zu spät gemerkt, dass uns das Navi auf dem selben Weg nach Nordosten und dann erst nach Süden Richtung Ocean City. Egal, wir fahren weiter, halten kurz zum Tanken und Kaffee trinken. Das Wetter ist eher durchwachsen und wird immer kühler, je weiter wir nach Süden kommen.

 

So um die sieben Gallonen passen in die Tanks, Preis meist um die drei Dollar je Gallone

Bald sind wir in Delaware, folgen dem Highway 1, biegen dann auf eine Nebenstraße ab und kommen zufällig am Airforce Museum in Dover, Delaware vorbei. Die Flugzeuge interessieren Doris nicht sonderlich, es sind hauptsächlich Transportflugzeuge des Airlift Commands, vom Lastensegler für die Landung in der Normandie bis zur Lockheed Galaxy, die wie ein Gebirge in der flachen Landschaft steht.

 

Motorradparkplatz am Airforce Museum

 

Dafür vergisst sie den Schlüssel im Zündschloss, das Licht bleibt an und die Sportster startet nach dem Museumsstopp nicht mehr . Der erste Einsatz für meine Lithium-Ionen-Powerbank. Wir legen die Batteriepole frei, Powerbank angeklemmt, wumms, läuft die Sportster wieder.

 

Bevor wir die Sportster anwerfen noch schnell ein Selfie vor der Ex-Airforce Two

Auf den letzten Kilometern nach Ocean City beginnt es zu regnen, wir sind froh, als wir am Motel ankommen. Der versprochene Ocean View ist eher ein Parkplatzview, aber links hört man den Atlantik rauschen, während wir vor dem Motelzimmer sitzen und ein Yuengling Lager aus der Dose trinken.

Morgen früh muss Ingo los, nach Philadelphia zum Arbeiten und wir starten endlich auf dem US 50 nach Westen.

Tag sechs: Wir holen die Sportster

Es ist so viel passiert, dass ich gar nicht so recht weiß, wo beginnen. Wir fahren vormittags gegen zehn los nach Valley Forge, um die Sportster abzuholen. Tatsächlich gelingt es uns, drei Personen und all unser Gepäck auf die zwei Motorräder zu verteilen. So können wir den Mietwagen direkt abgeben.

 

Voll bepackt in Valley Forge: meine Low Rider und Ingos Street Glide

 

Nach Valley Forge sind es nur rund 30 km, wir sind trotz Verfahrens bald da. Das Motorrad ist fertig, die Zulassung allerdings nicht. Es gibt etwas Hin und Her am Telefon, schließlich scheint alles ok, wir können Nummernschild und Zulassung beim Zulassungsbüro direkt um die Ecke abholen. Dort erhält Doris ein Nummernschild, einen riesigen Pappkarton, der so groß ist, dass jeder deutsche Zulassungsstellen-Beamte neidisch würde. Bei meinem Bike hatten sie mir zu dem großen noch ein kleines, einlaminiertes Kennzeichen gedruckt, das gut hinten an den Nummernschildhalter passt.

 

Foto zum Abschied: Craig und Doris mit der gerade erworbenen Sportster

Egal, wir wollen los. Mittlerweile ist es nach 14 Uhr, wir fahren die ersten Meilen. Erst über ein paar kleine Straßen, durch ein Tal mit Flüßchen und blühendem Flieder, richtig gut zum Eingewöhnen für Doris, die ja tatsächlich die ersten Motorrad-Kilometer in freier Wildbahn ohne Fahrlehrer hinter sich fährt.

Wenig später halten wir bei einem Wawa-Store, um Sandwiches und Eiskaffee zu holen. Da sehen wir, dass an der Sportster ein paar Öltropfen am Getriebdeckel hängen und einer davon auf den Asphalt tropft. Ok, beschließen wir, mal sehen, was sich da auf den nächsten Meilen tut.

Ein paar Kilometer weiter ist die linke Seite der Sportster ölverschmiert, scheint also nicht nur ein Tropfen zu sein. Wir rufen in Valley Forge an, die sind sehr besorgt, Craig, der Verkäufer ist untröstlich, sagt er schickt sofort einen Wagen, der uns abholt.

Während wir warten, kippt mein Motorrad vom Ständer, der Straßenrand ist sehr abschüssig. Es passiert nichts, die Harley fällt recht weich, unter anderem auf Doris Jacke und iPhone. Das ist jetzt abenteuerlich verbogen, funktioniert aber noch.

 

Chicken Sandwich und Eiskaffee, die Sportster tropft etwas

Ihr Motorrad übrigens ebenfalls. Zurück in der Werkstatt stellen sie fest, dass sie eine falsche Dichtung verbaut hatten. Dichtung gewechselt, Öl wieder rein, das Ganze dauert kaum zehn Minuten.

Dennoch ist es fast Abend, wir beschließen nach Lancaster zu fahren, weil dort ein Harley-Händler einen Schlüsselsatz für mein Motorrad auf Lager hat. Es hatte bei der Auslieferung nur einen. Also düsen wir die 80 km nach Lancaster, schaffen es kurz vor Ladenschluss.

Es beginnt zu tröpfeln, wir suchen ein Motel, mitten in Amish Country. Das ist schon schräg, wenn man die Pferdekarren auf der Straße sieht und Jauchewagen, die mit vier Arbeitspferden bespannt sind. Abends um 19 Uhr sind die Amish-Farmer noch auf den Feldern mit ihren Pferden und Geräten. Allerdings nicht immer konsequent. Wir fahren an einer Farm vorbei, da lässt der Farmer mit Amish-Hut sein Erntegerät von vier Pferden übers Feld ziehen, während in der Hofeinfahrt die Frau den Rasen mit einer Motorsense trimmt. Wer Motorsensen benutzt, kann auch Traktor fahren. Aber vielleicht ist da doch noch ein Unterschied, wer weiß?

Tag fünf: Mein Motorrad ist fertig

Ja, ich hab meine Harley, sie steht draußen vor der Tür, fährt und sie hat ein bis Ende Juni gültiges provisorischen Kennzeichen dran. Die Zeit bis zur geplanten Übergabe meines Motorrads wollten wir nutzen, um in Motorrad-Zubehörläden nach weiterem Kleinkram zu suchen, etwa Packtaschen für Doris‘ Sportster. Revzilla am Rand von Philadelphia sei eine gute Adresse,

Jetzt ist sie endgültig meine, hier noch im Showroom von Hannum’s in Chadd’s Ford

Die Fahrt dahin war allerdings das beste an dem Laden. Der liegt im ehemaligen Marinehafen von Philadelphia am Delaware River, und weil eine Straße gesperrt war, mußten wir einer abenteuerlichen Umleitung folgen. Die führte an Kaimauern entlang und um verlassene Ecken des Hafens, so dass sich sogar ein Mitarbeiter der städtischen Wasserversorgung mit seinem weißen Ford-Pickup verfahren hatte. Er wendete in der selben Sackgasse wie wir, wir sahen ihn dann zehn Minuten später in der richtigen Straße wieder.

Die Umleitung führte vorbei an Dutzenden offenbar außer Dienst gesetzten Kampfschiffen, eine sehr bizarre Szenerie, und falls jemand einen Film in Philadelphia drehen will, das ist die richtige Location für eine Autoverfolgungsjagd. Platz ist da jedenfalls genug, das Gelände ist riesig.

Säuberlich aufgereiht: Ausrangierte Kiregsschiffe in Philadelphia

Im Laden gab es nichts für uns, er schien eher auf 400 Dollar teure Kevlar-Jeans für urbane Motorrad-Hipster spezialisiert. Danach holen wir mein Motorrad, fertig ist es zwar, nur der Title (Kfz-Besitzurkunde) fehlte noch, der sollte aus einer anderen Filiale des Händlers geholt werden. Während wir warteten, erklärt Mike, der Mechaniker (er heißt wirklich so), dass sie leider beim Montieren die Halterung der Navi-Stromversorgung abgebrochen hätten. Die übergab ich ihm am Tag davor, mit der Bitte sie zu montieren, wenn sie das Motorrad fertig machen. Zum Trost gibt er mir einen USB-Adapter für den Batterielade-Stecker, der ebenfalls am Motorrad verbaut ist.

Die neue Vance&Hince-Auspuffanlage ist jedenfalls dran, also warten wir auf den Title. Nachdem alle Formalitäten erledigt sind, schiebe ich die Harley aus dem Showroom, starte sie, Doris versucht mit dem iPhone zu filmen, das klappt nicht ganz.

Ach ja, ich vergaß zu erwähnen, dass inzwischen der Sommer ausgebrochen ist, 35 Grad waren es zwischendurch. Also fahre ich im T-shirt die ersten paar Meilen bis zum Motel. Der neue Auspuff donnert ganz schön, aber lange nicht so laut, wie der kaputte Auspuff davor. Am Motel montiere ich die Stromversorgung selbst und klebe die kaputte Halterung mit Klett-Bänder innen an die Scheibe, passt.

Inzwischen kommt Ingo, Cousin und Ex-Mitbewohner. Er ist zufällig beruflich in Philadelphia und hat bis Sonntag Zeit und sich ein Harley geliehen, eine metallicrote Street Glide. Ingo ist Ingenieur und auf Vakuum-Pumpen spezialisiert, er guckt zu, während ich die Stromversorgung an der Batterie verkable. Sagt nichts, also sollte alles ok sein. Der Stecker funktioniert, wir fahren zu dritt mit den beiden Motorrädern Pizza essen. Morgen holen wir die Sportster aus Valley Forge, dann geht es richtig los!

 

Ingo schaut zu, der Motelangestellte im Hintergrund beobachtet und aufmerkaam und wirft ab und zu einen unverständlichen Kommentar ein

Tag vier: Die Motorräder sind gekauft

Scheint alles zu laufen, mein Motorrad ist bezahlt und zugelassen, jetzt bekommt es beim Händler noch die neue Auspuffanlage verpasst, gegen Mittag können wir es abholen. Wir sind in einem Motel in der Nähe von Media, PA, der Händler ist nur ein paar Meilen entfernt und die Avis-Station auf der anderen Straßenseite. Doch der Reihe nach.

 

Kia-Fahren in New York zwischen Central Park und Hudson River

Wir sind mit dem Mietwagen gestern aus New York abgereist, Julia und Frank müssen arbeiten und wir Motorräder kaufen. Den MIetwagen hatte wir in einem Parkhaus direkt um die Ecke abgestellt, das kostet 35 Dollar die Nacht, billig für Manhattan. Und nun ein paar Sätze zu den Mietautos, das ist wahrscheinlich eine beruflich bedingte Deformation. Der Einfachkeit halber mieten wir erst bei Hertz ein Auto , weil es die nächste Vermietstation von Julias Wohnung ist, ebenfalls in der West 184th, ein paar Blocks entfernt. Das Auto ist ein Nissan Rogue, also ein Qashqai in US-Version. Ok, fahren wird der schon, der Hobel.

Dann entdecken wir den Nachteil des Arrangements: Die Station schließt um 18 Uhr, wer den Wagen später wiederbringt, kann ihnim Parkhaus abstellen, in welchem sich die Vermiet-Station befindet. Kostet 24 Dollar. Okay, das ist halb soviel wie die Tagesmiete, aber das ist nun mal New York. Wieso so teuer, frage ich. Der Hertz-Typ zuckt die Schultern, two different businesses, sagt er.  Ja nee, ist klar.

Wir dokumentieren alle Kratzer an dem Rogue (es sind etliche) mit dem Smartphone, der Vermiet-Typ guckt, sagt aber nichts. Am Abend schaffen wir es natürlich erst um 20 Uhr zurück, wollen ins Parkhaus. Einen legalen Parkplatz am Straßenrand zu finden, ist selbst hier ganz m Norden von Manhattan unmöglich.

Alles klar, sagt der Parkhaus-Typ, das kostet aber nicht 24, sonder 45 die Nacht, weil der Nissan Rogue ein Oversize-Auto sei. Das ist in USA so lächerlich, als sagte man in der Bundesliga, dass Philipp Lahm ein Oversize-Spieler sei. Scheint  ein abgekartetes Spiel zwischen Parkhaus-Betreiber und Hertz-Filiale zu sein, wahrscheinlich stehen alle Autos von Hertz auf der Oversize-Liste.

Wir fahren lieber wieder weg und in das Parkhaus der Jewish University, das ist billiger und noch näher an Julias Appartement. Am nächsten Tag bringen wir den Rogue zu der Filiale zurück. Der selbe Typ sitzt hinterm Tresen, nimmt den Schlüssel zurück, ohne das Auto eines Blickes zu würdigen und sagt Goodbye. Da hätte man die Karre einfach vors Büro stellen und den Schlüssel auch einwerfen können, wie sonst überall auch. Nur nicht bei Hertz in der West 184th.

Am nächsten Tag holen wir ein Auto von Avis und fahren ein paar Stationen mit der U-Bahn zum Central Park um es abzuholen,.  Diesmal ist es ein Kia Forte, sozusagen die Dritte-Welt-Version des Cee’d. Wir fahren damit nach Pennsylvania zurück, ein Cee’d kann ja nicht so schlimm sein.

Doch dieser fährt wirklich mies, die Hinterachse poltert über Bodenwellen und bei leicht höheren Geschwindigkeiten auf der Interstate versetzt der Wagen richtig, muss bewusst wieder geradeaus gelenkt werden. Immerhin ist die Lenkung ok, also nicht schlimmer als in einem Europa-Kia. Ich google natürlich sofort nach und finde heraus, dass der Forte, anders als der Cee’d eine einfache Verbundlenker-Hinterachse hat, und zwar eine sehr schlechte abgestimmte. Ich male mir aus, wie der Kia mit Sandsäcken im Kofferraum auf Bahn 4 oder 5 der Holperstrecken in Boxberg abschnitte.

 

Das ist unser Kia Forte, er darf heute zurück zu Avis. Immerhin war er billig, 110 Dollar für drei Tage

In Deutschland wäre so ein Auto unfahrbar, der würde vermutlich bei 160 nach der ersten Bodenwelle rechtwinklig in die Leitplanke abbiegen. Ich bin ja ohnehin der Meinung, dass die Auto in Europa hauptsächlich deswegen so gute Fahrwerke und Bremsen haben, weil sie in Deutschland so schnell gefahren werden, und das auch können müssen. Anderenfalls führe wahrscheinlich alles diesseits des Premiumsegments wie, nun ja. wie ein Kia Forte in US-Version. Gern geschehen, Rest von Europa.

Ach ja nebenbei haben wir auch für Do ein Motorrad gefunden und gekauft, eine sehr preiswerte und hübsche Harley Sportster 1200 Custom. Doch dazu später mehr.

 

Doris und ihre Sportster 1200, das erste Motorrad, und dann gleich eine Harley. Bei mir war es eine abgeschrabbelte XT 500 für 1200 Mark

 

Drei Tage sind schon vorbei

Heute ist der 1. Mai, zwei Tage sind wir nun bereits hier. Am ersten Tag war nicht so viel los, kleine Sightseeing.Tour an die Südspitze von Manhattan. Das 11. September-Mahnmal ist wirklich sehenswert, schlicht und eindrucksvoll.

Viel interessanter war es gestern. Erstens haben wir eine Versicherung gefunden, die wenigstens per Mail schon mal zugesagt hat, unsere Motorräder zu versichern. Es gibt anscheinend nur eine, die das in den USA anbietet, jedenfalls habe ich keine andere gefunden. Sie heißt Fernet, hat ihren SItz in Florida und stellt ohne viel bürokratischen Aufwand die erforderliche Police aus. Mindesthaftung kostet 58 Dollar plus 60 Dollar Gebühr, für einen Monat. Nun ja, Hauptsache, wir kriegen die Motorräder auf die Straße.

Danach waren wir in Chadd’s Ford, Pennsylvania, um meine bereits online angezahlte (200 $) Harley Dyna Low Rider anzuschauen und probezufahen. Verkäufer Christian Maassen trägt eine antike Omega an eineem nicht originalen, aber altmodischen Fixoflex-Armband, was ihn sofort sympathisch macht. Ich hab meine Speedmaster Mark 4,5 an, das verbindet.

Erste Sitzprobe auf meiner neuen Low Rider, ganz schön laut, finde ich

 

Die Harley ist cool, alles ok, für ein 17 Jahre altes Motorrad, wir fahren um den Blick. Christan auf einer 2018er Heritage fährt voraus. Okay, meine Harley fährt, doch sie macht einen Höllenkrach. Anscheinend bestehen die Schalldämpfer nur aus je einem dicken Rohr. Beim Gaswegnehmen knattert sie wie ein alter Peterbilt-Truck beim Bergabfahren mit Motorbremse.

Das geht so nicht, sage ich Christian, als wir wieder auf dem Parkplatz von Hannum’s Harley stehen, da werde ich taub bis nach San Francisco. Mike, der Mechaniker des Ladens kniet sich hinter die Harley, guckt in die Auspuffrohre, steckt den Finger rein und sagt: Keine Dämpferelemente mehr drin. Kurze Ratlosigkeit, dann findet sich in einer Ecke des Ersatzteillagers ein Satz Pythons für einen alte Twincam-Dyna. Die könnten sie dranschrauben, dann sollte es besser sein.

 

Auf geht’s zur Probefahrt, dabei fällt mir ein, dass ich seit 1999 zum ersten Mal wieder in USA Motorrad fahre, damals  war es eine Kawasaki Drifter in Florida

Okay, wir vertagen das Bezahlen also auf Mittwoch, die Papiere von der Versicherung sind eh noch nicht da. Als Christian Brian erklärt, was ich mit der Low Rider vorhabe, werden seine Augen groß und er applaudiert, sagt endlich jemand, der nicht nur drüber redet, sondern es auch tatsächlich macht. Ich hoffe, dass sich seine Begeisterung auf die Arbeit an meinem künftigen Motorrad doch auswirkt…

Abends essen wir mit Julia und Frank in einem sensationell guten mexikanischen Imbiss gleich ums Eck von der West 184th, wo sie (und wir bis Mittwoch) wohnen.

Dienstag, wir fahren wieder nach Pennsylvania zum Motorräder gucken, diesmal nehmen wir Julia mit, sie hat sich extra freigenommen, um einmal aus der Stadt rauszukommen.

Wir schauen zwei Triumph America an, die findet Do irgendwie ein wenig zu fett und zu groß, doch die Alternativen (Yamaha Drag Star, Honda Shadow, Kawa VN 800) sind auch nicht zierlichen und kaum billiger.

 

Juan vom Philadelphia Cycle Center erklärt die Triumph, ganz schön fett, so eine America, findet Do

Auf dem Rückweg nach New York fahren wir noch mehr bei Brian’s Harley-Davidson in Langhorne, PA vorbei. Da entdecken wir eine wunderschöne kastanienbraun metallic-farbene Harley Sportster 1200 Custom, die uns allen sehr gefällt. Sie ist etwas teurer (weil von 2009, also quasi nagelneu), doch wir sind alle sehr angetan von der hübschen, zierlichen Sportster. Nun ja, das werden wir morgen entscheiden.

 

Bei Sonnenuntergang auf dem New Jersey Turnpike. Heimweg nach Manhattan, auch nett, wenn man das mal schreiben kann. Im Übrigen widerstehe ich schon seit zwei Tagen der Versuchung, auf dem Turnpike „America“ von Paul Simon ins Auto zu streamen

 

Nun geht es wirklich los…

…wir sitzen in München in der Lounge und überlegen, was wir wohl Wichtiges zuhause vergessen haben. Okay, der Helm, aber Do braucht eigentlich ohnehin einen neuen, das ist also kein großer Verlust.

Ansonsten ist einiges passiert, seit dem letzten Beitrag: Do hat im Schnelldurchgang den A-Führerschein gemacht und bestanden, und sie kann das inzwischen ziemlich gut. Letzten Sonntag hat sie die Africa Twin ausprobiert. Damit ist sie prima gefahren, obwohl es ja schon ein richtig großes Motorrad ist, bei dem sie nur mit den Fußspitzen auf den Asphalt kommt.

Und ich habe bereits ein Motorrad gekauft, eine Harley FXDLR (also eine Dyna Low Rider, für alle Nicht-Insider) von 2001, jedenfalls mit 200 Dollar per Kreditkarte angezahlt. Die Verkäuferin fragte mich am Telefon, ob ich mir darüber im Klaren sei, dass es ein 17 Jahre alte Motorrad sei, mit Vergasern! Und ob ich damit quer über den Kontinent fahre wolle! Na sicher will ich!

Inzwischen stellt sich heraus, dass es mit der Versicherung doch nicht so einfach ist, wenn man nur einen ausländischen Führerschein hat, das müssen wir am Montag in New York regeln. Hoffentlich klappt alles! Jedenfalls wollen wir am Montag schon mal ein paar Händler anfahren und nach einem Bike für Do suchen, eine Triumph Bonneville oder einen Japan-Cruiser für kleines Geld, eine Kawa Vulcan oder Honda Shadow, da scheint das Angebot am größen zu sein.

 

So sieht sie aus, meine Dyna Wide Glide für die Reise

Jetzt noch schnell einen Business Lounge-Leberkäs mit Kartoffelsalat essen, das Essen im Airbus A350 ist bestimmt nicht besser!

Der Trip

Das ist der Plan: Mehr oder weniger entlang des US Highway 50 von Küste zu Küste zu fahren. Der ersten groben Routenplanung nach werden das s0 5600 bis 6000 km sein, Umwege oder Abkürzungen nicht ausgeschlossen.

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