Motorradreisen und Dies und Das

Monat: Mai 2018 (Seite 1 von 2)

Tage 29 und 30: Angekommen

Okay, die US 50 sind wir nicht bis zum Ende durchgefahren. Aber 4500 Meilen von Küste zu Küste. Die letzte Etappe, gestern von Topaz Lake über den Tioga Pass war vielleicht etwas zu lang. Wir kommen kurz nach 20 Uhr bei Susanne und Josh in Menlo Park an, es ist sonnig und heiß hier ein paar Meilen südlich von San Francisco.

„gonna make it state by state, till I hit the Golden Gate, get my feet wet in the ocean…“

Das war östlich der Sierra Nevada noch ganz anders. Wir fahren in Topaz Lake bei sonnigen, aber kaltem Wetter los. Kurz vor dem Abbiegen zum Tioga Pass an einer Tankstelle treffen wir zwei weitere Motorradreisende, beide aus Kalifornien und unterwegs in die Mojave-Wüste. Der eine ist ein älterer Herr mit einer BMW K 1200 LT, der andere ein echter Biker mit einer Dyna Wide Glide, die einen noch lauteren Auspuff hat als meine.

Der Tioga Pass windet sich über 3000 Meter hoch durch die Sierra Nevada

Beide warnen uns, sie seien tagelang im Regen gefahren und durchgefroren, Zeit wieder in die Wüste zu kommen. Wir fahren am Mono Lake vorbei und biegen zum Tioga Pass ab. Mit jedem Höhenmeter wird es frostiger, die Regenwolken bedrohlicher, aber wahrscheinlich würde es ohnehin schneien, so kalt scheint es uns.

Der Stausee kurz vor der Passhöhe ist noch halb zugefroren. Am Eingang zum Yosemite hat sich schon eine Autoschlange gebildet, Memorial Day-Weekend. Einmal mehr macht sich unter Annual Pass bezahlt. Kleiner Tipp für US-Reisende: Es gibt einen Jahrespass für National Parks, kostet lächerliche 80 Dollar, online oder an jedem Park zu kaufen. Damit kommt man ein Jahr lang in alle National Parks und National Monuments, also auch Anlagen wie eine historische Ranch in Montana oder Bend’s Old Fort in Kansas. Lohnt sich bereits, wenn man drei oder vier Nationalparks besucht. Und er gilt immer für die komplette Autobesatzung (oder zwei Motorräder).

Schnee und Eis kurz vor der Passhöhe

Ein Ranger geht an der Schlange entlang, fragt nach dem Annual Pass, diejenige, die einen haben dürfen an der Schlange vorbei direkt in den Park fahren, super.  Wir halten uns nicht lang im Park auf, fahren die Passstraße runter, halten für ein paar Fotos, machen Pause an der Tankstelle.

Bergab in Yosemite

Dort treffen wir wieder Motorradfahrer, diesmal ein Paar aus der Nähe von Monterey, sie mit einer BMW K 1600 GTL, nicht so das typische Frauen-Motorrad, er mit einer BMW R 1200 RT. Sie scannt unsere Nummernschilder als wir parken und nuckelt an ihrer Elektro-Zigarette. Und fragt wenig später, ob wir tatsächlich aus Pennsylvania mit den Motorräder gekommen seien.

Wir plaudern ein Weilchen, sie erzählen, dass sie zuhause auch Harleys haben, diesmal aber mit den BMWs unterwegs seien. Und dass er auch noch eine Ducati Diavel hat, seit sie auf einer Italienreise das Werk in Bologna besuchten.

Uns läuft ein wenig die Zeit weg, wir wollen abends in Menlo Park sein. Nun wird es mit jedem Höhenmeter zum Meer hin sonniger und wärmer, wir halten für Burger, kaufen Kirschen und tanken in Oakdale.

Ein letztes Mal tanken in Redwood City

Diesmal kommen zwei ältere Biker mit Bauch, Tattoos und Zopf vorbei, auf Street Glide und Road Glide mit Xenonlicht, eingebautem Navi und Rückenlehne. Immer die gleiche Frage: Pennsylvania, really? Beide sind begeistert, dass jemand sowas macht, sagen beinahe entschuldigend, dass sie nur aus San Jose seien und eine kleine Wochenendtour machen.

Sie schütteln uns zum Abschied die Hände und der mit dem längeren Zopf sagt zum Abschied: you are a inspiration to us. Leider vergessen wir, die beiden zu fotografieren.

Die letzten Meilen nach Silicon Valley werden lang und mühsam, wir brettern über die Interstate in den Sonnenuntergang. Das ist nicht schön, wie es möglicherweise klingt, die Sonne blendet und im Gegenlicht sind die Linien und Unebenheiten kaum zu erkennen.

Dann biegen wir ab auf die Dumbarton Bridge über das südliche Ende der San Francisco Bay. Auf einmal riecht man ihn, bevor er zu sehen ist: der Ozean. Wir donnern über die Brücke, dann noch zwei Mal abbiegen, und wir sind angekommen.

Zwar fahren wir am nächsten Tag zur Golden Gate Bridge, gehen in Sausalito mit den Füßen in den Pazifik, 22 Tage nachdem mir das gleiche in Ocean City gemacht haben, 22  Tage und 4500 Meilen später. Doch der Moment, in dem für mich die Reise zu Ende ist, ist jener kurz vor der Brücke, als ich die Bay rieche.

„I’m runnin‘, I’m runnin‘ down the proud highway and as long as I keep movin‘ I won’t need a place to stay…“

Die beiden Harleys haben gehalten, die Sportster benötigte eine neue Batterie, an meiner sifft der rechte Gabelsimmering und ich mußte im Lauf der Tour ein Quart Öl nachkippen. Nun stehen sie eingedreckt und von Packtaschen und Reisegepäck befreit vor der Garage, morgen bringen wir sie zur Spedition. Und die ist anders als gedacht nicht in Oakland, sondern in Fremont – viel näher, auf der anderen Seite der Bay.

Dann haben wir noch eineinhalb Tage für Halfmoon Bay, Ozean, shoppen, die Füße hochlegen. Und vielleicht zum Lunch in den Googleplex. Mal sehen.

Tage 27 und 28: The Loneliest Road

 

Rachel und Kevin haben zwar die Kaffeebude verkauft, doch ausgerechnet heute soll sie wieder eröffnet werden. Da es im Stargazer Inn ohnehin kein Früstück gibt, schlurfen wir morgens über die Straße und bestellen zwei Milchkaffee bei der neuen Besitzerin. Die ist eher wortkarg, der Kaffee jedoch gut.

Die Kaffeebude in Baker: empfehlenswert

The Loneliest Road liegt vor uns, ein paar hundert Meilen Wüste bis Fallon, drei kleine Orte liegen dazwischen: Ely, Eureka und Austin. Sonst nichts. Wirklich nichts. Als wir losfahren scheint zwar noch die Sonne auf die schneebedeckten Berge im Great Basin National Park, doch es ist sehr windig.

Gestrandet in Baker: VW Käfer

Das macht vor allem Doris zu schaffen, sie kämpft gegen den Wind, befürchtet von der Straße gepustet zu werden. Das ist natürlich anstrengend, die nötige Lockerheit kommt bestimmt mit der Zeit.

„Living on the road my freind, is gonna keep you free and clean…“

Wir frühstücken bei Denny’s in Ely im Hotel Nevada, der Speisesaal ist von Slot Machines belagert und es riecht nach Zigarettenrauch, in Nevada darf man in Kasinos rauchen, sehr ungewohnt.

Draußen auf dem Parkplatz sehe ich ihn zum ersten Mal: einen 1930er Lincoln mit Michigan-Nummernschildern, sehr cool. Später in Eureka sehen wir den Lincoln wieder, der Fahrer winkt uns begeistert zu.

Hotel Nevada in Eureka

Später kommen wir ins Gespräch. Im Lincoln reisen Bart und Ellen aus Michigan. Sie sind in ähnlicher Mission unterwegs: Sie fahren den Lincoln Highway von Küste zu Küste mit der fast 90 Jahre alten Limousine. Wir trinken zusammen Kaffee, da erzählt Bart, dass er Mitglied der Lincoln Highway Society ist, die sich um diese historische Straße bemüht.

Bart und Ellen sind in ähnlicher Mission unterwegs

Der Lincoln Highway führt von New York nach San Francsico, war ab 1913 die erste Straßenverbindung von Küste zu Küste und teilt sich in Utah und Nevada die Trasse mit der US 50. Die beiden sind fasziniert davon, dass wir ähnliches wie sie mit Motorrädern unternehmen. Dass der US 50 ebenfalls von Küste zu Küste führt, wußte Bart gar nicht, er ist sehr erstaunt, das von einem Ausländer zu erfahren.

Den Lincoln hat er extra für diese Tour gekauft. Als er er 66 wurde, erzählt er, hat er einen 66er Ford Mustang gekauft und ist die Route 66 abgefahren. Da fällt Doris ein, dass wir beide zusammen 100 sind und wir nun den Highway 50 fahren.

Abends in Austin sehen wir den Lincoln nochmal, dann trennen sich unserer Wege. Wir übernachten im Cozy Mountain Motel, vorgebucht zum Glück, es ist alles ausgebucht.

Zum Essen sollten wir keinesfalls ins International Cafe gehen, sagt die Motel-Frau. Vor eineinhalb Jahren hat mich Hardy noch mit dem i3 vor dem Café fotografiert, samt Trump-Pence-Wahlwerbung.

Das Café hat in der Tat einen zweifelhaften Ruf, wie man im Internet nachlesen kann. Wir essen Pizza im anderen Restaurant von Austin, die ist ziemlich gut, das Publikum in dem Laden durchaus interessant.

„his horse as fast as polished steel…“

Am nächsten Tag ist es nicht mehr so windig, dafür recht kühl. Wir ziehen möglichst viele Klamotten an, der Fahrtwind pustet dennoch durch. Wir fahren schnell über die gar nicht mal so einsame Straße, stoppen zum Frühstücken in Cold Springs, einer ehemaligen Pony Express Station. Der US 50 folgt in Nevada ziemlich genau dem Pony Express Trail, einer Reiterstaffel-Route, die nur 1866 und 1867 existierte und in zehn Tagen Post vom Missouri nach Sacramento transportierte.

Cold Springs am Pony Express Trail

Dafür suchte die Firma junge, möglichst leichte Reiter, die 25 Dollar in der Woche verdienten und sich dafür auf die gefährliche Reise begaben. William „Buffalo Bill“ Cody war übrigens einer der Reiter. Als die erste Telegrafenlinie die Westküste erreichte, war der Pony Express natürlich überflüssig.

Der Pony Express Trail begleitet uns bis westlich von Fallon. Dort biegen wir von der Route ab, fahren nach Süden Richtung Las Vegas nach Topaz Lake. Denn zum einen erscheint uns der Weg nach Kalifornien über den Yosemite attraktiver als jener entlang des Lake Tahoe und zum anderen finden wir ein Motel zu akzetablem Preis hier. Das Wetter ist übrigens immer noch kühl, doch die Regenwolken umkurven uns bislang.

Abends finden wir eine kleine Bikerbar, sehr rustikal, aber mit ausgezeichneten Burgern und Tacos, sie heißt Iggy & Squiggy’s, falls jemand mal hier vorbeikommen sollte.

Tage 24, 25 und 26: Urlaubstag in Bryce Canyon

Scho wieder sind drei Tage vorbei, Wahnsinn, wie schnell das jetzt geht. Vor allem seit heute haben wir so richtig das Gefühl, dass es nun nur noch der Weg nach Hause ist. Doch der Reihe nach.

Cedar City hat nicht viel zu bieten, außer zwei Ausfahrten an der Interstate 15, ein paar Motels, Läden, Fast Food-Buden. Und das ist gut so. Wir beschließen spontan, hier einen (den ersten) Ruhetag einzulegen. Abends holen uns abends was zu essen aus dem Supermarkt, eine nette Abwechslung zum Restaurant-Essen. Und planen die nächsten Tage. Ein Ruhetag ist drin, also verlängern wir im Super8 um eine Nacht.

Stiefel shoppen

Den Ruhetag verbringen wir mit Stiefel-Shoppen beim lokalen Ranch-Ausrüster, Burger- und Quesadila-Essen bei Chili’s und ein paar weiteren Einkäufen. Doris kauft bei Walmart ein paar Feilen. Mit einer davon bearbeitet sie das Bajonett des abgestürzten Objektivs so lange, bis es wieder an die Kamera passt. Allerdings fokusiert es nicht mehr sauber, unrettbar kaputt also.

Wir haben nicht nur Zeit für einen Ruhetag, sondern für einen Umweg durch den Bryce Canyon. Da waren wir zwar bereits 1996, aber das ja nun auch etwas her.

Aus Cedar City sind es nur rund 80 Meilen, ein entspannter Fahrtag mit kühlem, doch sonnigen Wetter. Am Canyon finden wir sogar noch einen Zeltplatz für die nächste Nacht, wir wandern etwas am Canyonrand entlang und abends braten wir Würste und backen Kartoffeln am Lagerfeuer, ein richtiger Urlaubstag.

Abend am Bryce Canyon

Weil am nächsten Wochenende Memorial Day ist, der traditionelle Start der Sommersaison in USA, haben wir, entgegen unserer Gewohnheit, die nächsten drei Nächte vorgebucht. Das Ziel für heute: Baker, Nevada. Dort kommen wir wieder auf die US 50, die wir ja in Colorado verlassen haben, weil uns der Weg am Grand Canyon vorbei interessanter erschien.

On the Road in Western Utah

Und ich war schon einmal da, als ich mit Hardy die Geschichte über die Loneliest Road in America produzierte. 180 Meilen vom Bryce Canyon, wir schaffen sie schneller als gedacht, fahren über Nebenstrecken aus den Bergen durch die weiten Täler des westlichen Utah. Es ist sehr einsam, kaum Autos unterwegs und schon gar keine Motorräder.

Wir sind schon am Nachmittag in Baker, finden das Stargazer Motel, eine sehr skurrile Bude. Direkt neben dem Motel ist ein Restaurant, das sich Kerouac’s nennt (wohl  nach dem Schriftsteller). Dort gibt es die beste Pizza, die ich bisher in den USA gegessen habe. Ganz ernsthaft. Und ich frage nach Rachel und Kevin, mit denen ich vor einhalb Jahren an ihrer Kaffeebude auf dem Parkplatz in Baker sprach.

Stargazer Inn in Baker: Empfehlenswert

Die haben sie verkauft, sagt die Frau im Restaurant, aber wenn du mit Rachel sprechen willst, sie arbeitet in der Bar gegenüber. Also gehen wir über die Straße in das andere Restaurant des Ortes. Dort steht Rachel hinter der Theke und erinnert sich fast sofort, dass ich das mit dem silbernen Elektro-BMW vor eineinhalb Jahren war.

Später verwickeln uns die Besitzer des Ladens, zwei pensionierte Manager aus der Industrie, die hier ihren Lebensabend verbringen, in Gespräche. Das heißt, sie erzählen Geschichte vom Klimawandel über Schneeschippen, überflutete Bäche mit ertrunkenen Kühen bis zu den Glaskunstwerken lokaler Künstler (sie selbst). Ein interessanter Abend in Nevada, ein paar Meilen östlich von hier ist die Grenze zu Utah. Und hier beginnt jener Abschnitt des US 50, der Loneliest Road in America genannt wird. Doch davon mehr morgen.

Wir sind wieder an der US 50

P.S.: Und da das WiFi im Stargazer Motel dauernd abstürzt, gibt es die Bilder dazu vielleicht erst morgen…

 

Tage 21, 22 und 23: Monument Valley und mehr

Schon drei Tage nichts geschrieben, das lag aber nicht an mangelnder Schreibbereitschaft, sondern daran, dass wir die letzten beiden Nächte fernab von WLAN und Mobilnetz verbrachten.

Nach der sehr angenehmen Nacht im Recapture Motel in Bluff sind wir erst spät wieder auf den Motorrädern, dennoch aber schnell im Monument Valley. Doris war noch nie hier, ich erst einmal. Die Sonne scheint, es ist heiß, und doch ist das Valley einfach überwältigend – die Weite, der Himmel über den roten Steinen, die Stille trotz der vielen Touristen, die hier durchfahren, das ist schlicht grandios.

Monument Valley

Wir verbringen einige Zeit mit Actioncam-Filmen (zum ersten Mal auf der Reise, bisher waren wir immer zu faul) und fahren dann weiter nach Kayenta, weil wir Hunger haben.

In Wahrheit ist es an diesem Fotospot nicht so einsam, wie es hier aussieht

Die Fahrt nach Page am Lake Powell dauert den Rest des Nachmittags. Wüste, Wind, viel Verkehr, es gibt Schöneres. Abemds in Page sind die meisten Motels ausgebucht oder sehr teuer,  der erste Campingplatz am See ebenfalls. Also landen wir am Lone Rock Camping, an genau der selben Stelle, wo ich im Februar vor eineinhalb Jahren mit Land Rover war und Campingfotos gefaked habe. Damals haben wir im noblen Amangiri-Ressort übernachtet. Jetzt schlagen wir das Zelt windgeschützt hinter einem Busch auf. Den Weg runter zum See, wo es offenbar eine kleine Wohnmobil-Stadt gibt sparen wir uns mit den Harleys.

Am Lone Rock, die Harleys müssen durch den tiefen Sand

Immerhin schaffen wir es am nächsten Morgen heil durch den Sand wieder auf den Asphalt. Grand Canyon North Rim ist heute unser Ziel, nicht weit, und die Strecke entlang der Vermillion Cliffs ist wunderschön.

Navajo-Bridge und Vermillion Cliffs

Wir überqueren den Colorado River auf der Navajo Bridge, treffen dort an der Tankstelle ein US-Paar auf Motorrädern, die offenbar nur auf Trails unterwegs sind, BMW F800 und G650 mit seht grobstolligen Reifen. Die Frau ist so klein, dass sie selbst bei der nicht gerade großen G650 nicht auf den Boden kommt, sie trägt Plateau-Stiefel zu dem Zweck, sieht sehr lustig aus.Sie erzählen, dass sie nur abseits des Asphalts fahren, nur wenn es sein muss, nehmen sie die Straße. Kann man ja machen.

Am frühen Abend sind wir am  North Rim, der Grand Canyon ist immer wieder überwältgend, auch wenn man hier viel weniger davon sieht als am Südrand.

Ein kurzer Blick in den Grand Canyon

Dafür sind alle Unterkünfte ausgebucht, selbst der Campingplatz am 40 Meilen entfernten Jacob Lake. Wir überlegen schon, 30 Meilen weiter nach Kanab zu fahren, da gibt uns der Campingplatzwart einen Tipp: Nebenan auf der Group Area sei ein Bikerclub, die könnten wir ja fragen, ob wir da zelten dürften. Ansonsten kann man hier überall im National Forest im Wald sozusagen wild campen, wenn man will.

„Er öffnet still die Dose Rindfleisch, die nach Steppengräsern schmeckt…“

Ich fahre zu der Group Area, der Bikerclub sind fünf Harleyfahrer aus Salt Lake City. Der Präsi Bill bietet uns einen Platz in ihrer Mitte an, bevor ich überhaupt danach fragen kann.

Unsere Bikerfreunde aus Salt Lake City

Also zelten wir neben ihnen, kochen Chili und Reis auf dem Campingkocher, während sie ein paar 100 Meter zur Tankstelle mit Restaurant essen gehen.

Den nächsten Tag verbummeln wir wieder ein wenig, In Kanab in der Stadtbücherei erledigen wir Papierkram für den Export der Motorräder, kopieren, scannen etc. Geht alles prima, kostet 90 Cent.

Davor frühstücken wir in einem netten Café Riesenportionen Chorizo mit Eiern und Tortillas. Unterwegs biegen wir zu den Coral Sand Dunes ab. Kommen an einem Ford Focus vorbei, der sich neben der Straße im Sand festgefahren hat. Eine deutsche Touristin, die ein Foto machen wollte. Sie ist allein unterwegs, drei Monate, und  ebenfalls in Pennsylvania gestartet. Eine Jeep-Besatzung war schon dabei, ihr zu helfen, dann kommen noch zwei mit einem ATV. Die haben sogar ein Seil dabei, doch der Focus hinten keinen Haken. Also schieben wir den Eimer raus. Ich setze mich ans Steuer, natürlich sind die Räder voll eingeschlagen, ich lenke geradeaus, gebe vorsichtig Gas, während die anderen schieben. Nach zehn Sekunden ist der Ford wieder auf dem Asphalt.

Typischer Anfängerfehler, wenn man sich festgefahren hat: Die meisten legen den Rückwärtsgang ein, geben volle Kanne Gas und drehen wie wild am Lenkrad, weil sie heraus lenken wollen. Damit machen sie es dem Auto nicht leichter. Also immer Räder gerade halten und versuchen, in der Spur herauszufahren, in der man reingefahren ist.

Durch die Dunes können wir mit den Harleys nicht, ich war ja schon mal mit einem Land Rover Discovery hier… Danach fahren wir langsam Richtung Zion’s Canyon. Da waren wir 1996 auch schon. Doch so überlaufen haben wir es nicht in Erinnerung. Dazu ist das Wetter eher bedeckt und trüb, schön ist der Canyon natürlich dennoch.

Zion’s Canyon

Ein paar Meilen über die Interstate nach Norden, dann sind wir in Cedar City, Motel, Dusche, Abendessen aus dem Supermarkt in der Mikrowelle und Wäsche waschen in der Laundry, Alltag.

 

Tage 19 und 20: Berge und Wüste

Bluff, Utah. Zwei Motels, eine Tankstelle und ein überteuertes Steakhouse mit mäßigen Steaks. Wir sind kurz vor dem Monument Valley, in den beiden letzten Tagen sind wir ein gutes Stück weitergekommen, wenn auch nicht auf der US 50.

Aus Salida führt der Highway über den Monarch Pass, die Wasserscheide zwischen Atlantik und Pazifik, nicht sehr spekakulär, aber mt vielen schönen weiten Kurven. Am ersten Anstieg treffen wir einen Biker aus Oklahoma mit seiner Sportser. Er nuckelt an einem Wasserpfeifchen, ist in Colorado ja erlaubt und erzählt, dass er direkt an der Route66 wohnt.

Am Monarch Pass, 3448 Meter hoch

Der Monarch Pass ist Doris‘ erste Passstraße im Hochgebirge, und dann gleich ein 3000er in den Rockies! Macht sie sehr gut, sie hat ja inzwischen auch weit über 2000 Meilen auf ihre Sportster gebrummt.

In Gunnison essen wir Burger in einem Café an der Straße, die Bedienung bringt mir den falschen, was ich erst merke, als ich reinbeiße. Den richtigen bringt sie danach, zwei kann ich dennoch nicht essen.

Der namenlose Biker aus Oklahoma mit der Sportster und dem Wasserpfeifchen

In Montrose überlassen wir den US 50 sich selbst und biegen nach Süden in RIchtung Million Dollar Highway ab. Zum einen haben wir noch viel Zeit und drehen lieber noch eine Runde durch den Südwesten, zum anderen geht die Route des 50 ab hier nach Norden und dann über Grand Junction auf die Interstate 70, bis nach Nevada zur Lonliest Road. Das erscheint wenig verlockend.

Der Million Dollar Highway ist atemberaubend schön, wie ganz Colorado übrigens. Die Plains im Osten, die Berge und danach die Wüste, sehr unbescheiblich. Wir wollen bis nach Durango, auch weil es zwischen Montrose und Durango nicht so viel gibt.

Millon Dollar Highway, den Namen trägt er wegen der ertragreichen Silberminen in den Bergen

Kalt ist es oben auf den Passhöhen, merklich freundlicher wird es erst, als wir schon fast in Durango sind. Dort suchen wir einen Campingplatz in einem Canyon, wird mal wieder Zeit für eine Nacht draußen.

Die wird überraschend kalt, was auch dazu beträgt, dass wir recht früh wieder unterwegs sind. Trinken Kaffee und frühstücken in Mancos, kurz vor dem Mesa Verde National Park.

Kurzer Stopp im Mesa Verde National Park

Am Visitor Center des Parks steigen wir ab, da passiert es: Doris fummelt die Canon aus dem Tankrucksack, da macht es plong und das Objektiv landet auf dem Asphalt. Irgendwie scheint sich die Verriegelung losvibriert zu haben, jedenfalls war es offenbar lose. Danach passt es nicht mehr in die Aufnahme, obwohl es äußerlich keine Schäden hat. Später sehen wir dann, dass an einer Stelle des Bajonetts winzige Macken dran sind, offenbar reicht das aus.

Im Walmart in Cortez haben sie keine Objektive, ich überlege, eine Canon Powershot irgendwas zu kaufen, mache es dann doch nicht und ärgere mich hinterher. Denn nur mit dem iPhone zu fotografieren, ist irgendwie auch doof.

Ab Mesa Verde wird es wüstlicher

Den Rest des Tages verbringen wir auf den Motorrädern, ab Mesa Verde wandelt sich die Bergwelt sehr schnell in Wüste. Besonders heiß ist es nicht, nur windig und einsam. Wir besuchen das Four Corner Monument und landen schließlich in Bluff in der Recapture Lode. Teurer als 50 Dollar, dennoch sehr empfehlenswert. Nicht so das  Cottonwood Steakhouse. Mein Cowboy Steak für 28 Dollar ist weder richtig dick noch gut gebraten, Und das falsche Bier bringt die Bedienung auch noch. Na ja.

Utah, der nächste Staat auf unserer Reise

Tag 18: Rocky Mountain High

Der nächste Fahrtag ist vorbei, für mich einer der schönsten. Wir starten an dem seltsamen Motel, in dem wir am Abend davor landen. Es hat eine angeschlossene Mehrzweckhalle namens Cow Palace. Das macht es mir natürlich sofort sympathisch, denn, wie jeder weiß, wurden der Film und die Live-Aufnahmen für Rust Never Sleeps 1978 im gleichnamigen Cow Palace in San Francisco aufgenommen.

Vor La Junta besuchen wir noch Bent’s Old Fort, angeblich bis mItte des 19 Jahrhunderts das größe Gebäude im amerikanischen Westen an der Grenze zu Mexiko (damals am Arkansas River)

In diesem Cow Palace in Lamar, Colorado hat Neil Young  noch nicht gespielt, obwohl man sich bei ihm da nicht so sicher sein kann. Frühstück gibt es angeblich bis 9, doch als wir eine halbe Stunde vorher zum Frühstückraum kommen, gibt es da nichts mehr außer Kaffee, Cornflakes und Milch. Das hat auch sein Gutes, weil uns der Hunger kurz vor Mittag in La Junta ins Copper Kitchen treibt.

Das ist ein kleines Breakfast- und Lunch-Restaurant, hat nur bis 14 Uhr geöffnet und wird offenbar nur von Einheimischen besucht, anscheinend kennen sich alle, die hier ein- und ausgehen. Der Chef kommt vorbei, verwickelt uns in Gespräche und sagt mehrmals, wie sehr er sich freut, dass wir reingeschneit sind.

Copper Kitchen in La Junta, unser Tipp falls Ihr da mal vorbei kommt

Wir essen Sandwiches und trinken Kaffee, der Chef gibt uns Tipps zur Tourenplanung und wünscht zum Abschied Gottes Segen für die weitere Fahrt.

Kurz hinter La Junta tauchen die ersten Schatten der Rocky Mountains am Horizont auf, erst kaum sichtbar, dann immer deutlicher und größer. Bald erkennen wir rechts den Pikes Peak. Wir fahren um Pueblo herum, es ist wieder sehr heiß.

Bald sehen wir die Umrisse der Berge am Horizont

Bald windet sich der US 50 entlang des Arkansas River immer höher in die Berge, es wird schattiger und kühler und wir bummeln etwas, bevor wir in Salida ankommen. Erst suchen wir einen Campingplatz, landen dann doch wieder in einem Motel, wie sich herausstellt das zweitschönste unserer Fahrt. Für 65 Dollar die Nacht.

Trink- und Fotopause am General Store in Cotopaxi

Salida ist ein Urlauberort, an jeder zweiten Ecke gibt es Touren- und Raftinganbieter und ähnliches. Wir essen abends draußen in einem Restaurant am Arkansas River, trinken noch ein Bier bei Livemusik in der nächsten Bar. Morgen geht’s weiter Richtung Million Dollar Highway und Durango.

Nightlife in Salida

 

Tag 17: Schon wieder im Motel

Eigentlich wollten wir ja heute wieder zelten, doch die Gewitterwolken am westlichen Horizont lassen uns dennoch in Lamar, Colorado nach einem Motel suchen. Sehr weit sind wir heute nicht gefahren. Nach einem späten Start in Dodge City, das wir insgesamt etwas enttäuschend finden, folgen wir weiter der US 50, die hier immer noch am alten Santa Fe-Trail entlang verläuft.

Dodge City hat nicht viel zu bieten

Morgens regnet es noch, bis mittags ist es bewölkt und kühl. Dennoch halten wir an einer der Historic Sites entlang des Highway. Hier sind die Wagenspuren des Trails noch gut in der Prairie zu erkennen, vor 150 Jahren zogen Wagenkolonnen mit Handelswaren auf dem Weg nach Mexiko hier vorbei und Millionen von Bisonhäuten wurden nach Osten zum Missouri transportiert.

Am Santa Fe-Trail, unten fließt der Arkansas River

Leider verpassen wir in Dodge City die Markierung des 100. Längengrads, der ja interessanter Weise nicht nur eine klimatische Grenze zwischen den semiariden westlichen Plains und den semihumiden östlichen bildet, sondern zeitweilig ebenso die französische von der spanischen Einflusssphäre im südlichen Nordamerika trennte und ebenso eine Grenze zwischen den jungen Staaten USA und Mexiko bildete.

Ein Briefkasten in the middle of nowhere

Wir fahren weiter, der Himmel klart auf, wir sind beide sehr beeindruckt von der Landschaft, die alles andere als langweilig ist. Es wird hier im Westen von Kansas flacher, man kann tatsächlich bis zum Horizont sehen und manchmal tauchen erst die Spitzen der riesigen Getreidespeicher hinter der Erdkrümmung auf, wie die Masten der Segelschiffe auf dem Ozean.

Im Westen von Kansas

Der Himmel ist scheinbar unendlich weit, die Straße meist gerade, wenig befahren. Links und rechts sind Ranches mit großen Rinderherden, die man meist riecht, bevor man sie sieht. Die meisten Trucks sind Viehtransporter, sie ziehen einen Schleier heißer Luft und Rinderduft hinter sich her, wenn sie vorbei ziehen.

Mit der Harley zählt man hier übrigens zu den langsamsten Verkehrsteilnehmern. Wir pendeln uns meist bei um die 60 mph ein, die Trucks ziehen oft mit mindestens 75 vorbei.

Die richtig alten Autos sind weiter hinten gestapelt

Wir halten zwischendurch ein paar Mal, trinken Kaffee, essen bei Subway (zum ersten und zum letzten Mal) ein Sandwich und tanken zwischendurch.

Die Rocky Mountains sind noch weit

Und am Abend essen wir Steak, ich ein großes Ribeye, Doris ein kleines Sirloin, beide sehr gut, zart und saftig, wirklich exzellent, wie sich das für diese Coyboy-Gegend gehört.

Die Rocky Mountains sind noch weit. Morgen kommt die nächste Etappe.

Tag 15 und 16: Halfway thru

Wir haben es geschafft. Also die Hälfte. Gestern Abend sind wir in Kinsley an jenem Schild, das sich ein wenig großspurig „Midway USA“ nennt, vorbeigekommen. Und weil es in Kingsley keine akzeptable Übernachtungsmöglichkeit gibt, sind wir 40 Meilen weiter bis nach Dodge City gefahren. Knapp über 260 Meilen, unsere längste Fahretappe bisher.

Die Hälfte ist geschafft. wir auch ein wenig

Dafür haben wir den Tag davor etwas verbummelt. Es war sehr heiß, wir sind in gekühlten Burgerläden und Tankstellenshops abgehangen und waren in einem Stausee schwimmen. Und wir haben einen weiteren Traveler getroffen, diesmal einen mit Fahrrad. Der hatte sein Koga Miyata-Tourenrad neben unseren Motorrädern vor der Tankstelle geparkt. Die Ortlieb-Packtaschen deuteten bereits darauf hin, dass er nicht in Kansas zuhause ist.

Koga Miyata-Rad, Ortlieb-Taschen, bestimmt kein Einheimischer

Wir sprechen ihn an, ein Niederländer, der mit dem Fahrrad aus Denver nach Washington unterwegs ist. Da geht es immerhin bergab, ist aber doch verdammt weit. Er ist seit 23. April unterwegs, erzählt er. Und wir denken, dass wir in zwei Tagen in Colorado sind.

Wir übernachten wieder in einem State Park an einem Stausee. Unser Vorgänger hat einen Haufen Holz und Kohle in der Feuerstelle zurückgelassen, so dass wir zum ersten Mal zu einem richtigen Campfire kommen. Auch weil wir Grillanzünder gekauft haben, der das Holz recht schnell entfacht.

Unser erstes Campfire

Am Morgen startet die Sportster mal wieder nicht, Einsatz zwei und drei für meinen Li-Io-Powerpack. Wir beschließen dann doch einen neue Batterie für die Sportster zu kaufen. Das erledigen wir in Emporia, wo wir zufällig an einer Motorradwerkstatt vorbeifahren.

Für den Rest des Tages verlassen wir die US 50, zu befahren und langweilig, und weichen auf die US 56 aus, die dem Santa Fe-Trail folgt. Zum Teil sind die Spuren der ehemaligen Handelsstraße von den Missouri-Häfen nach Südwesten in das Gebiet des heutigen Kansas und New Mexico immer noch zu sehen.

So sieht es aus in Kansas

Daneben verläuft die Bahntrasse nach Dodge City, die nach dem Bürgerkrieg den Santa Fe-Trail überflüssig machte. Die Plains drumherum sind gar nicht so langweilig wie befürchtet. Es ist nie ganz flach, Ölfelder, Weiden und Felder wechseln sich ab und die riesigen Getreidesilos und Wassertürme zeigen schon lange vorher an, wo menschliche Ansiedlungen sind.

Fort am Santa Fe-Trail, jedenfalls das Hinweisschild – leider geschlossen

Dodge City, wieder Super 8, scheint sich zu unserer Lieblings-Motelkette zu entwickeln. Im Übrigen lohnt es sich immer, bevor man nach einem Zimmer fragt, im Internet bei einer Buchungsseite zu checken, was das Zimmer kostet. Meist sagen sie an der Rezeption einen höheren Preis. Wenn man dann anwortet, im Internet koste es nur 50, sagen sie meist sowas wie ok, dann 50.

Kurz vor Dodge City

Allein dafür hat sich der Erwerb einer SIM-Karte mit US-Flatrate (50 Euro bei Amazon) gelohnt.

Tag zwölf bis 14: Kansas City, here we come

Nun sind wir tatsächlich schon seit zwei Wochen unterwegs, davon eine Woche auf den Motorrädern. Und sind kurz vor Kansas City. Noch ein paar 100 Meilen, dann kommen wir in Kinsley, Kansas an jenem Schild vorbei, auf dem steht, dass hier die Hälfte der Strecke zwischen New York und San Francisco ist.

Wir haben es geschafft: westlich des Mississippi am Gateway Arch

Aus Bloomington haben wir uns am Donnerstag verabschiedet. Doris‘ Cousin wohnt mit seiner Familie in einem wunderschönen alten Haus, und es fällt uns ein wenig schwer, wieder auf die Motorräder zu steigen und weiterzureisen.

Wir fahren am Nachmittag noch so um die 100 Meilen, übernachten auf einem Campingplatz. Am nächsten Tag St. Louis, der Mississippi und der Gateway Arch, wir sind in Missouri.

 

There’s a road strechted out between us like a ribbon on the high plains..

Es ist heiß, viel Verkehr, wir schwitzen in den Motorradklamotten, fahren noch weiter bis Eureka, nehmen ein Motelzimmer, Super 8. Hier teilen sich die US 50 und die Route 66 für ein paar Meilen die Routenführung, dann biegt die Route 66 nach Süden Richtung Oklahoma ab.

Einfache Täfelchen markieren hier den Verlauf der alten Route, sonst weist nichts darauf. Direkt daneben verläuft die Interstate. Und das erste Auto, das uns auf der alten Strecke entgegen kommt, ist ein roter Lamborghini Countach.

Wir fahren am Missouri entlang nach Westen, verlassen für einige Zeit die US 50, weil die Straße am Fluß schöner sein soll. Ist sie auch.

Selfie am verlassen Motel an der Route 66

Der Highway 100 heißt hier Lewis&Clark-Trail, weil er dem Weg nach Westen der Expedition von 1804 folgt, die dann später in Oregon den Pazifik erreichte.

Wir kommen an alten Städten wie New Haven und Hermann vorbei, trinken Kaffee und essen zwischendurch was. Gegen Abend verpassen wir die Abfahrt zu einem State Park, landen schließlich wieder in einem Motel 8, billiger und sauberer als das in Eureka. Und nun Kansas City.

Tag zehn und elf: Weiter westwärts

Nun sind wir schon fast 1000 Meilen von der Küste entfernt, zwei Tage auf der US 50, an denen wir nach meiner Meinung zu wenig, nach ihrer Meinung eher etwas zu viel gefahren sind. Wir sind bei Doris‘ Cousin in Bloomington, Indiana, wo wir auf eine UPS-Lieferung warten. Doris hat nämlich nicht nur ihren Helm, sondern auch ihren Führerschein zuhause vergessen hat. Bisher hat der Ausdruck eines Fotos des Führerscheins gereicht, aber wahrscheinlich ist es besser, das Original dabeizuhaben, wenn man unterwegs von Buford T. Justice angehalten wird.

Einen neuen Helm hat Doris bereits in Philadelphia gekauft, da gab es bei einem Motorradhändler einen wunderschönen Bell-Helm im Sonderangebot, schwarz mit Retro-Streifen-Design. Ich bin etwas neidisch, habe nur aus zwei Gründen nicht ebenfalls einen gekauft: Ich finde Helme im Partnerlook bei anderen Bikern immer etwas albern. Und ich möchte nicht mit zwei Helmen durch die Gegend reisen.

Der neue Bell-Helm im Streifendesign

Ich habe mir dafür direkt am Anfang der Reise in Media ein Paar Cowboy-Arbeitsstiefel im Westernlook gekauft und meine mitgebrachten ausgelatschten Boots im Motel weggeworfen.

Meine neuen Stiefel, bereits etwas patiniert von 1000 Meilen on the road

Ansonsten waren die beiden Tage nach unserer Übernachtung in der Lodge am Tygart Lake eher ereignisarm. Wir sind durch West Virginia, Ohio und Indiana gefahren, haben den Ohio River überquert und zwischendurch am Paint Creek-Stausee in Ohio gezeltet.

Neues Kaffeekochsystem mit Tütchen

Doris hat übrigens ein neues Camper-Kaffeekochsystem gekauft, kleine Filtertütchen, die man über die Tasse hängt, funktioniert leidlich.

Und wir haben Cincinnati auf der Interstate umfahren, ein Fehler. Die Interstates sind die gefährlichsten Straßen in USA, alle donnern mit 70 mph vor sich hin, die Lkw eher etwas schneller, und machen dabei alles andere, außer Autofahren. Mich übersieht tatsächlich ein Idiot in einem älteren Honda-SUV beim Spurwechsel, beginnt rüberzuziehen, obwohl ich praktisch neben seiner Fahrertür herfahre. Als ich hupe, sieht er mich an wie eine Kuh, wenn’s donnert und setzt seinen Spurwechsel fort.

Wir verlassen die Interstate schnell wieder und fahren über kleinere Wege nach Bloomington.

Es gibt natürlich auch schönere Begegnungen, so wie die mit Jerzy aus Polen. Er ist der erste Motorradreisende, den wir treffen, sitzt an einer Tankstelle im Schatten und raucht, was schon ein erster Hinweis daraus sein könnte, dass er kein Amerikaner ist. Außerdem fährt er eine Kawasaki KLR 650 und trägt Goretex-Klamotten. Und am rechten Alukoffer klebt ein Poland-Sticker.

Jerzy zeigt Doris Facebook-Fotos seiner früheren Reisen

Er spricht kaum Englisch, obwohl er seit zehn Jahren als Hausmeister in Chicago arbeitet und erzählt von seinen Erlebnissen in Alaska, Arizona und sonstwo. Uns fragt er nichts. Nach einer weiteren Marlboro Light steigt er auf seine KLR und fährt weiter nach Osten.

Oder das Treffen mit der alten Dame an der Tankstelle in West Virginia. Sie ist mindesten 80, tankt ihren 67er El Camino und freut sich, als ich sie auf das Auto anspreche. Dann schimpft sie über die Spritpreise, dass das alles Gauner seien, sie habe gerade drei Dollar für die Gallone bezahlt, nur damit die Share Holders ihre Taschen füllen. Aber die Reichen kämen ohnehin nicht in den Himmel, das stehe schon in der Schrift. Sagt es, wuchtet zwei Sprit-Kanister auf die Ladefläche des El Camino, startet den Smallblock-V8 und donnert davon.

 

Grandmas Buggy heißt der 67er El Camino, sagt die alte Dame, bevor sie über die Reichen aus der Ölindustrie schimpft

Kleiner Nachtrag: Während wir auf den UPS-Wagen warten, fahren wir kurz zum lokalen Harley-Laden um zwei Kleinigkeiten an den Motorrädern richten zu lassen. Bei meiner ist die Leerlaufdrehzahl zu hoch, bei der Sportster  der Schalthebel samt Fußraste etwas hochgebogen. Das richten zwei Mechaniker in wenigen Minuten, kostet nichts. Dazu schenken sie uns noch einen Harley-Touring Handbook mit einem Händlerverzeichnis. Wir kaufen dann noch ein kleines Toolkit, die Harleys haben ja Zollschrauben. Jetzt haben wir wenigstens etwas dabei, um lose Schrauben und ähnliches wieder anzuziehen.

Die Schrauber in Bloomington sind sehr nett und hilfsbereit, ein HOG Touring Handbook schenken sie uns obendrein

UPS wirft im Übrigen die Sendung einfach so vor die Tür, ohne zu klingeln oder nachzuschauen, ob jemand zuhause ist. Und das obwohl in fettem Rot Documents auf den Umschlag gestempelt wurde. Wie bei uns also. Jedenfalls hat Doris jetzt ihren Führerschein dabei.

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